In die Enge getrieben: "Contra: Operation Galuga" im Test


 

Repetiert die Schrotflinte, ladet das MG durch, schultert den Granatwerfer und lasst die Muskelberge schwellen! Ein neues "Contra" ist in der Stadt – zweidimensional und in Seitenperspektive, wie es sich gehört. Da kann doch eigentlich nichts schief gehen, oder? …ODER??? Leider doch, wenn eine wichtige Zutat fehlt.

 

KRITIK • PS4 / PS5 / Switch / Series S/X / PC • Nein, wir wollen Euch nicht erzählen, dass "Contra" in Deutschland früher "Probotector" hieß, weil die prüde Kohl-Regierung keine Mucki-Schränke sehen wollte und stattdessen Chrom-blitzende Robo-Krieger verbaut wurden (ups, jetzt ist's doch passiert). Das wisst Ihr längst – und es dürfte in jedem zweiten Review stehen. Stattdessen wollen wir mit Euch in die Feinheiten des Spiel-Designs eintauchen. Heutiges Thema: Bewegungs- und Aktions-Freiheit – oder eben ein eklatanter Mangel daran. Nennt sich dann "Enge".


Wir meinen damit die Möglichkeiten, die Euch als Spieler zur Verfügung stehen – sowohl räumlich, als auch in Puncto Aktions- und Manöver-Vielfalt. Die Rechnung ist einfach: Je weniger Möglichkeiten Ihr als Spieler habt, desto mehr kann der Programmierer das Erlebnis auf Euch zuschneiden. Exzellente Beispiele hierfür sind die beiden frühen "Contras" auf dem NES. Sprung, Schuss und Steuerkreuz: Mehr braucht es nicht, um zeitlose Klassiker zu erschaffen. Der Spaß steckt hier im Level-Design, das genau auf diese Aktionen abgestimmt wurde und Euch vor passende Herausforderungen stellt.


Nur leider verkauft sich Enge schon lange nicht mehr wie früher – das Marketing von steht auf Weite. "200.000 Quadratkilometer originalgetreu nachgebildetes schottisches Hochland" oder "Mindestens 300 Spielstunden" machen sich naturgemäß besser im Trailer und auf der Packungs-Rückseite als "Noch dichtere Schussmuster, noch kleineres Spielfeld".


Eine weitere Möglichkeit, eine Spielerfahrung zu "verengen", das ist der Verzicht auf Features – auch auf solche, die gemeinhin als dem Spielspaß förderlich gelten. So lassen sich bei den meisten "Contras" zwar Spezialwaffen sammeln, diese aber nicht weiter aufwerten. Eine einmal gesammelte Waffe macht einen gewissen Schaden, der dann nicht mehr gesteigert werden kann. "Operation Galuga" bricht mit dieser Regel. Sammelt Ihr eine Waffe zweimal ein, so bekommt Ihr eine stärkere Variante. Klingt zunächst einmal doch ganz gut, oder? ABER: Damit Ihr die Verstärkung des Schusses auch direkt registriert, muss die Standard-Variante derselben Waffe zwangsläufig ziemlich schwachbrüstig ausfallen – als Kontrast zur stärkeren Ausführungen gewissermaßen.

 

Darum gibt es hier keine "Zakus" und keine Popcorn-Gegner die nach einem Schuss erledigt sind. Darum fühlt sich das neue "Contra" auch nicht so schnell und so direkt an, wie Serien-Fans es von den Klassiker gewöhnt sind. Wenig hilfreich ist außerdem, dass uns das Spiel dazu drängt, Waffen für aufladbare Super-Angriffe zu opfern. Mit der richtigen Kombination aus freispielbaren "Perks" ist es sogar möglich, durch das Opfern unserer Schießprügel Lebensenergie zurückzugewinnen – darum steht Ihr am Ende auch gerne mal ohne Power-Up da.

 



 

Aber zurück zur "Enge". Die kann nämlich auch bedeuten, dass ein Spiel vergleichsweise kurz (und hoffentlich umso knackiger) ausfällt. "C: The Contra Adventure", das bei uns schlicht "Probotector" heißt und das erste Game-Boy-"Contra" darstellt, lässt sich innerhalb von 15 Minuten durchspielen – ein echter Action-Quickie also. Vorausgesetzt natürlich, man hat die nötige Action-Kompetenz. Trotzdem bleibt die Mini-Ballerei immer abwechslungsreich. "Operation Galuga" leistet sich hingegen einige Längen. Speziell die Fahrt auf dem futuristischen Motorrad in Level 2 oder die Zugfahrt durch die Eiswüste in Level 5 sind einfach zu lang. Sie münden in Wiederholungen sich ewig gleich anfühlender Situationen, ohne dem Spiel oder dem "Contra"-Franchise etwas Neues hinzuzufügen. Originell wird es einzig in der sechsten Stage – einer unterirdischen Ruine, in der kolossale Kristalle die Sicht auf unser Konterfei versperren. Stattdessen müssen wir mittels einer Spiegelung im Kristall erkennen, wann es gilt, den Sprung- oder Feuer-Button zu betätigen.


Solche seltenen Höhepunkte werden aufgewogen durch eine bemühte Erinnerungs-Kultur, die immer wieder versucht, ikonische Szenen aus alten "Contras" nachzustellen. Sei es der Feuersturm in der ersten Stage von "The Alien Wars" oder der aus der Tiefe des Raumes heranjoggende Roboter in "Hard Corps". Nur: Diese Szenen wirken allesamt deutlich schwächer als die Original-Momente, die sie zitieren. Das mag daran liegen, dass 3D-Elemente in der damaligen 2D-Langschaft neu, aufregend und unerwartet waren. Vielleicht liegt es aber auch an der schwachen Grafik, die gerade mal gehobenes PlayStation-3-Niveau erreicht. Zumal "Operation Galuga" von dieser seltsamen Farblosigkeit geplagt wird, die häufig 3D-Experimente von ansonsten rein auf 2D-Grafik spezialisierten Studios begleitet. Bullethell-Fans fühlen sich unwillkürlich an das optische Desaster von "Death Smiles II" erinnert. In diesem Fall wirkt sich die optische Enge tatsächlich negativ aus.


Enge kann aber auch Übersicht bedeuten – etwas, woran in "Galuga" manchmal ein eklatanter Mangel herrscht. Denn als Endbosse klatscht Euch "Operation Galuga" gerne einen undefinierbaren Klumpen Alien-Schmodder auf den Bildschirm, der chaotisch aus mehreren Richtungen angreift und tödliche Schleim-Pfützen auf dem Boden hinterlässt. Die Schadens-Reichweite dieser Tretminen lässt sich selten einschätzen, da das Spiel in diesen Szenen gerne den Zoom-Regler verdreht und so ein pixelgenaues Einfühlen in Abstände sabotiert. Dazu kommen Angriffe aus dem Bild-Vordergrund, die das dahinterliegende Spielgeschehen verdecken und den Bosskämpfen das letzte Bisschen Übersicht rauben. Dabei kann Entwickler WayForward es deutlich besser, wie man mit dem leider nie in Europa veröffentlichten "Contra 4" für Nintendos DS gezeigt hat: Hier stimmte neben der schicken 2D-Optik auch das Enge-Management. (Martin Nagel)


elektrospieler meint: Wir haben viel kritisiert, gemeckert und gemosert. Ein schlechtes Spiel ist "Contra: Operation Galuga" aber beileibe nicht. Nur ist es eben weit davon entfernt, zu den Stil-bildenden und Genre-definierenden Action-Feuerwerken, zu gehören, die "Contra" früher auszeichneten. Ein "Shattered Soldier" hatte seinerzeit noch das Selbstbewusstsein, sich zum Vollpreis von damals 60 Euro ins Händler-Regal zu quetschen – zwischen PS2-Schwergewichte wie "God of War" und "GTA: San Andreas". Spielerische wie inszenatorische Qualitäten rechtfertigten diese Breitbeinigkeit. Schade: Diese Zeiten scheinen endgültig vorbei zu sein. "Operation Galuga" sortiert sich selbst zum Alteisen, der Spirit scheint gebrochen. Ob es die Marke schafft, sich noch einmal aus der  selbst gewählten Mittelmäßigkeit zu erheben, ist fraglich. Wünschen würden wir es uns.

 

Note: 6.0 (BEFRIEDIGEND)

 


WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend