Sammlerfreuden: Auspacken oder "mint" lassen?


 

"Schöne, frische Spiele, schöne frische Spiele!!!" Je älter das Game, desto seltener dieser Ausruf – aber auch von Game-Boy-Oldies wie "Final Fantasy Legend II" oder dem "Pokémon-Trading-Card-Game" gibt es sie noch – jungfräulich verpackte, verschweißte und unbegrabbelte Exemplare. Also was tun? So lassen – oder auspacken?

 

KOLUMNE • Ja, auch bei mir gibt es sie: Spiele, die sich seit vielen Jahren noch immer im selben Zustand befinden wie beim Einkauf. Jungfräulich. Verschweißt. "Mint".
Na, habe ich Euch? Hat bei den Sammlern und Retro-Handheld-Beschmusern unter Euch schon der unkontrollierte Speichefluss eingesetzt?


"Boaaaah, der Bannert hat ein ORIGINAL-VERSCHWEISSTES, UNBEGRABBELTES FINAL FANTASY LEGEND 2?????!!! Verkauft er's mir? Schenkt er's mir? UND WAS MUSS ICH DAFÜR TUN?"
Nein, nein, nein, ich kann Euch beruhigen. Lasst die Huldigungen stecken und die Hosen bitte oben – ich erspare Euch die Blöße, indem ich das Ding – egoistisch und materialistisch, wie ich nun mal bin – GANZ EINFACH BEHALTE.


Und es kommt noch besser: ICH DENKE SOGAR ERNSTHAFT DARÜBER NACH, BEIDE GAMES ZU ÖFFNEN – IHNEN BRUTAL DIE FOLIE VOM PAPP-LEIB ZU REISSEN UND SIE DANN (Achtung, jetzt kommt's!!!!) … zu spielen.


Denn mal im Ernst: Sind Spiele nicht genau dafür gemacht? Es wird Euch vielleicht wundern, aber ich habe weder die finalen Fantasten noch die digitalen Pokémon-Kartendrescher in der Absicht gekauft, sie nie zu öffnen. Tatsächlich liegt "Final Fantasy Legend 2" jetzt seit über 30 Jahren bei mir derart in der Schublade – seit ich es Anfang der 90er bei Armins Games-Bude Zapp Games Mainz gekauft habe. Ok, genau genommen ist es zwischendurch immer wieder in div. Umzugs-Kartons gewandert – mit seinen anderen Pocket-Pals.


Bei der Wanderung von Mainz nach Mering, von Mering nach Hamburg, von Hamburg nach Würzburg (nach dem Einkauf im ehemaligem Würzburger Spiele-Laden von Simone Fränkel hat sich das ebenfalls noch verschweißte "Pokémon Trading Card Game" dazu gesellt), von Würzburg nach Mering – schon wieder. Ausgerechnet. Um dann – nach erneutem Aufbau meines Jugendzimmer-Mobiliars, das ich seit bald 31 Jahren treudoof von einer Bleibe zur nächsten schleife – wieder in derselben Schublade zu landen. Ungespielt und "un-aufgeruppt". Weil irgendwie immer viel zu viel anderes zu tun war, immer wieder neue Spiele meine Aufmerksamkeit als Gaming-Journalist eingefordert haben und ich mich auch irgendwann schlicht an die Vorstellung gewöhnt hatte, dass es doch irgendwie toll ist, das original-verpackte "FF Legend 2" im Gepäck zu haben. Ein Stück unangetasteter Jugend. Ein in "Frischhalte-Folie" verpackter Jungbrunnen – wie passend.


Was wird passieren, wenn ich ihn nach all den Jahren endlich öffne? Wird es – einem Unsterblichkeits-Elixier gleich – von Fresse bis Arsch alle Falten glätten und ich als knackiger Jüngling durch die Bude springen … mit dem Analogue Pocket in der einen und dem "FF Legend 2"-Modul in der anderen Hand? Oder strömen dann – als hätte ich Pandoras Box geöffnet – all die unliebsamen Erfahrungen, Erlebnisse und trüben Gedanken der letzten drei Jahrzehnte auf einmal auf mich ein, um mich auszuzehren und auszumergeln, bis ich aussehe wie ein Mumie? Und wenn ich dann mit letzter Kraft auf die geöffnete Verpackung zu krabble, um die Cartridge mit meinen skelettierten, trockenen Klauen zu umschließen … wird sie dann … ZU STAUB ZERFALLEN?


Und überhaupt? Wie soll ich dieses Ereignis eigentlich begehen? Bei einem netten Date mit dem Spiel? Retro-Dinner bei Kerzenschein? Und bevor ich dem Modul seine Jungfräulichkeit raube, flüstere ich ihm gehauchte Versprechungen zu, die ich später sowieso nicht halte? So was wie: "Ich werde Dich ja SO WAS VON DURCHSPIELEN!"


Haha, ja, klar. Die Sprüchen kennen wir doch alle.


Ich könnte die Sache aber natürlich auch rituell begehen: Ein paar dutzend Kollegen einladen, Roben austeilen. Dann schreiten wir raunend im Kreis um das Modul herum, klatschen uns bei jedem dritten Schritt hart den Game-Boy gegen die Stirn (der hält das wenigstens aus) – und auf dem Höhepunkt, da wird stilecht eine Ziege GESCHLACHTET!!! Leider haben wir dabei unbeabsichtigt Beelzebub beschworen. Der freut sich meckernd über die Cartridge ("FF Lähähähägend 2 – mint???!!! Mähähähä!!!"), löst sich mit einem "Puff!" auf, hinterlässt ein bisschen viehischen Furz-Gestank – und das Modul ist … weg!


Ok, bei näherer Überlegung sollte ich es viell. doch noch für zehn, 20 weitere Jahre eingeschweißt lassen. Eilt nicht. Ich bin ja erst zarte 50. (Robert Bannert)

 


 

UPDATE:

 

NEEEEEEEI-I-I-I-I-I-N!!!! WAS HABE ICH NUR GETAN, ICH WAHNSINNIGER???!!!!!