Die Maus macht's – vor allem jetzt, da wir sie dank "Rebrushed"-Edition von Warren Spectors Beinahe-Klassiker "Micky Epic" in 4K bewundern dürfen. elektrospieler über eine Disneyworld after Darkness – jetzt in ein bisschen besser.
SPIELE-KRITIK • Als "Micky Epic" 2010 zum ersten Mal erscheint, bekommt der Wii-Titel von Junction Point und Disney Interactive vor allem deshalb jede Menge Aufmerksamkeit, weil es ausgerechnet Rollen- und Abenteuerspiel-Altmeister Warren Spector ist, der hier das Design-Szepter schwingt. Und der verwandelt das Abenteuerspiel rund um den kleinen Klugscheißer-Mäuserich (JAAAAAA, Donald wäre mir vieeeeel lieber gewesen!!!) in keinen heiteren Vergnügungspark, stattdessen erwartet uns eine Art "Disneyworld after Darkness". Nicht ernsthaft brutal oder verstörend natürlich – aber finster genug, um in die düstere und räudige Gaming-Vita des Designers zu passen, zu der immerhin Klassiker wie "Ultima Underworld", "Thief" oder "Deus Ex" gehören.
In "Micky Epic" schwingen wir mithilfe der Wii-Fernbedienung einen Pinsel, den wir zuvor in Verdünner oder Farbe getaucht haben, um Elemente der Spielwelt entweder verschwinden oder (wieder)
erscheinen zu lassen. So wollen wir das Wasteland von einem Tinten-Fiesling befreien, den Micky versehentlich auf das einst blühende Cartoon-Märchenland losgelassen hat. Die Mixtur aus ein
bisschen Jump'n'Run und ganz viel Adventure fühlt sich ähnlich an wie die Rare-Hüpfspiele auf dem N64: Frei bespring- und bereisbare Areale von sehr überschauberer bis stattlicher Größe bergen
eine Vielzahl miteinander verzahnter Rätsel und Mechanismen, die wir nur knacken können, wenn wir an den richtigen Stellen Farbe bzw. Verdünner verspritzen und springen. Warren Spector wiederum
wird dabei seinem Ruf als Bauer tiefgründiger Welten gerecht, indem er das "Micky Epic"-Wasteland und seine Bewohner auf Mickys Spielstil reagieren lässt. Merke: Allzu häufiger Verdünnereinsatz –
böse, böse! Farbe dagegen bedeutet: liebe Micky-Maus!
Klingt in der Theorie toll – kommt aber im Wii-Original von 2010 mit einigen Zicken: Zum Beispiel, weil die Wii-Hardware mit dem komplexen "Micky Epic" ziemlich überfordert ist und nicht immer ganz flüssig läuft. Oder weil sich die ohnehin schon bockige Kamera per Wiimote kaum bändigen lässt.
Wesentlich besser funktioniert "Micky Epic" jetzt als "Rebrushed"-Neuauflage – THQ Nordic und dem Wiener Entwickler-Studio Purple Lamp sei Dank. Und einer Zwei-Analog-Stick-Steuerung – wie es
sich gehört. Die entlarvt das Motion-Control-Gekleckere von einst jetzt endgültig als vollkommen überflüssiges Gimmick – denn ja, natürlich funktioniert das auch mit dem Stick ganz
hervorragend.
Aber wird der Output von Spectors 2013 abgewickelten Junction-Point-Studios dadurch endlich zum richtig guten Spiel? Entfesselt es jetzt so etwas wie ein durch die Wii zurückgehaltenes
Hit-Potential? Nein, ganz groß wird "Micky Epic" wohl nie: Dafür ist es immer noch zu fummelig und zu verkopft. Aber wenigstens können wir die Stärken und Schwächen von Spectors Disney-Spätwerk
jetzt nicht nur erahnen, sondern wirklich erkennen. Zu den Stärken gehören übrigens ein fast schon burtonesker, dezent vergrufteter Charme und einige wirklich wunderschöne Schauplätze, die wir
nun zum ersten Mal mit all ihren launigen Details richtig erkennen können. Und das Bewusstsein, dass Spectors Team hier sicher nicht das beste, aber vielleicht ehrgeizigste Abenteuer rund um
Disneys Mäuserich erschaffen hat. Vollgestopft mit herzigen Reminiszenzen, Anspielungen und Cameos, mit denen sich "Micky Epic" schon 2010 verdammt retro angefühlt hat und die "Rebrushed" quasi
zum Denkmal für ein Disney-Gedächtnis-Spiel machen. Dafür kann man ruhig mal 40 bis 50 Euro springen lassen. Aber keine 60. (Robert Bannert)
Note: 7.5 (GUT)
WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend