Alea jacta est: Asterix und Obelix als Spielbuch-Helden


 

Die spinnen, die Römer – und zwar genau dann, wenn wir uns darauf einlassen. Warum? Weil die "Alea Jacta Est"-Abenteuer der unbeugsamen Gallier dem Spielbuch-Konzept folgen. Will heißen: Wir sind die Helden unseres eigenen "Asterix und Obelix"-Abenteuers!

 

SPIELBUCH • Mit Entscheidungen kennen wir Gamer uns gut aus, oder? Immerhin müssen wir innerhalb einer einzigen Spiele-Session oft hunderte, wenn nicht gar tausende davon treffen. Manchmal sind das Entscheidungen von epischen Dimensionen – wo wir das Schicksal der Spielwelt und Millionen fiktiver Entitäten beeinflussen. Oder eben auch ganz, ganz viele Mini-Entscheidung(ch)en – so winzig, dass wir beim Zocken gar nicht richtig merken, dass wir sie überhaupt getroffen haben. Und das nicht selten innerhalb von Sekundenbruchteilen. Eher reflexartig als bewusst.

Entscheidungen, die wir auch wirklich als solche wahrnehmen, sind dagegen meist solche, die sich aus fein verästelten Dialogen oder anderen Multiple-Choice-Situationen ergeben. Wie in einem Abenteuerspiel à la "Mass Effect" – mit viel "Aha!" nach noch mehr "Blabla!". Oder in einem filmischen Spiel-Erlebnis wie Quantic Dreams "Detroit: Become Human", in dem es auch thematisch um gelebte Entscheidungsfreiheit geht – weil die von uns gespielten Kunstmenschen gerne echte Menschen wären. Und kein vom Programmierer geskriptetes Leben mehr führen wollen. Wie das in einem Spiel ja zwangsläufig der Fall ist – auch wenn es uns noch so viel SPIEL-RAUM lässt.

Ganz ähnlich verhält sich das übrigens mit dem Genre der Abenteuer-Spielbücher oder "Choose your own adventure"-Books, die in den 80er-Jahren besonders beliebt waren. Anstatt diese Bücher wie gewohnt Seite für Seite zu lesen, folgen wir einer interaktiven Handlung, die uns – je nachdem, wie wir uns in bestimmten Situationen entscheiden – mal zum einen, mal zum anderen nummerierten Lese-Abschnitt führt. In diesen vermeintlich non-linearen Geschichten sind wir also selber der Held und springen wild zwischen den Abschnitten sowie Seiten hin und her. Wollen wir nach Rechts gehen? Weiter bei 27. Oder nach Links? Weiter bei 256. Oder bleiben wir einfach auf der Dungeon-Kreuzung sitzen und blasen ein bisschen Trübsal? Weiter zur Heldenseelsorge bei 180! Wir könnten aber auch den Zauberstab, den wir eben diesem hässlichen Oger stibitzt haben, aus unserem Heldenrucksack kramen und schauen, ob er sich mit dem Drachenjuwel kombinieren lässt, das wir zwei Verlies-Ebenen zuvor aufgeklaubt haben. Ja, genau, das machen wir! Weiter bei 287: Ups, dumm gelaufen – jetzt sind wir zu Asche zerfallen!" ENDE!!!!

Und ja, was die Art und Weise angeht, wie sie mit Entscheidungen umgehen, ähneln Spielbücher wie Steve Jacksons "Die Zitadelle des Zauberers", Ian Livingstones "Labyrinth des Todes" oder die "Einsamer Wolf"-Reihe von Joe Dever und Gary Chalk stark Computer- und Videospielen. Und zwar heute noch – auch wenn das zugrundeliegende Flussdiagramm mit all seinen Abzweigungen, Kreuzungen und sich miteinander verheddernden Pfaden inzwischen unter sehr viel mehr schickem Budenzauber versteckt ist.



 

Selbstverständlich gab es auch in diesem Buch- oder Spiele-Genre solche Abenteuer, in denen es nicht ums Erschlagen, Durchlöchern oder Köpfen monströser Feinde ging. Wie z.B. in den Comic-ähnlich aufgezogenen Bänden der "Alea Jacta est!"-Reihe (hierzulande im Ehapa-Verlag), in denen wir zwar weder Asterix noch Obelix spielen, aber in der Rolle von Schönlings-Schisser "Grautvornix" (siehe "Asterix und die Normannen") an der Seite der beiden wehrhaften Raufbolde ins Abenteuer ziehen. Umfang und Format der mit "Alea jacta est!" ("Der Würfel ist gefallen!") so treffend betitelten Abenteuer-Serie ähnelt dabei eher Comics als klassischen Spielbüchern – auch grafisch bedienen sich die leider nur geklammerten Heftchen üppig bei der Vorlage. Mit jeder Menge aus den Comics geklauten Illustrationen – aber auch einigen eigens für das neue Format angefertigten Zeichnungen, von denen manche clever ins Spielkonzept integriert sind. Wie Umgebungskarten oder kleine, Brettspiel-ähnlichen Intermezzi, bei denen wir – je nachdem, auf welchem Spielfeld wir landen – einen anderen Abschnitt aufschlagen. Das macht dieses Comic/Spielbuch-Crossover manchmal sogar kreativer als die Fantasy- und SciFi-Schwarten der Genre-Meister. Die Folgen dämlicher Entscheidungen unter Galliern und Römern sind zwar weit weniger fatal – aber auch hier kann unser Abenteuer schlagartig zu Ende sein, weil wir z.B. in Gefangenschaft geraten oder uns das Würfelglück nicht hold ist.

Abenteuer-Spielbücher feiern übrigens seit einigen Jahren so etwas wie eine kleine Renaissance. Und auch wenn ich irgendwie das Gefühl habe, als wäre der anfängliche Hype um fette, spielbare Fantasy-Schwarten wie Swen Harders "Reiter der schwarzen Sonne" wieder etwas abgeflaut, so hat das Genre in über 40 Jahren doch eins bewiesen – nämlich, dass es einfach nicht totzukriegen ist. Cheaten könnt Ihr dabei übrigens ganz ohne Code, Schummelmodul oder ähnlich schmutzige Tricks – im Zweifelsfall reicht es einfach, den Finger im Buch zu lassen und ("Ups, tot – Mist!") gaaaanz schnell wieder zurück zu blättern. Damit sind Spielbücher – genauso wie Videogames – natürlich weit weniger endgültig als das echte Leben und die Folgen echter Entscheidungen. Aber vielleicht eignen sie sich ja dafür, zwischen guten und bescheuerten ENTscheidungen zu UNTERscheiden lernen. Und vielleicht sollte man vor der nächsten wichtigen Wahl ja so etwas wie ein "CHOOSE YOUR PRESIDENT WISELY"-Adventure-Book verteilen. Oder ein "Das Rot-Schwarz-Grün-Gelb-Blaun"-Spielbuch, das jedesmal wie eine Mausefalle zuschnappt und uns einen Finger abklemmt, wenn wir wieder mal auf einen eigentlich leicht zu entlarvenden Fascho-Trick hereingefallen sind. Das hätte immerhin den Vorteil, dass die größten Idioten bei der anschließenden Wahl kein Kreuzchen mehr machen könnten…

Ach ja: Auch wenn Ihr hier nur zwei "Alea Jacta Est!"-Bände seht, sind übrigens vier erschienen. Ich selber besitze drei, habe aber leider einen davon offenbar verbummelt. Zum Glück sind die Heftchen noch antiquarisch zu haben. Wenn Euch die Kombination aus Comic und Abenteuer-Spielbuch gefällt, kann ich Euch noch die "Spiele-Comic Noir"-Reihe von Pegasus Press ans Zocker-Herz legen, in denen Ihr Ritter, Werwölfe und sogar Spürnase Sherlock spielt. Die waren wohl leider nicht allzu erfolgreich – darum bekommt Ihr sie manchmal (wenn auch gebraucht) schon für kleines Geld. (Robert Bannert)