So süß, voller Herz und kreativ verspielt war "Star Wars" schon seit fast 30 Jahren nicht mehr – trotzdem kriegt Ubisofts "Star Wars: Outlaws" gerade die Hucke voll. Warum eigentlich? Ein Rettungsversuch.
KOLUMNE • Ein Herz für "Star Wars: Outlaws"! <3 Nein, Moment, anders. Ein GROSSES Herz für Nix – das schnuffige Fell- und Schuppen-Knäuel, das für Heldin Kay Vess als eine
Mischung aus Radar und Rätsel-Remote fungiert. Und ein kleines Herz für Kay und ihr Spiel.
Unglaublich schade finde ich, dass während des Release-Zeitraums kaum eine sachliche Debatte über das Spiel selber möglich war – und dabei hätte "Outlaws" das wirklich verdient. Immerhin ist es –
kleinerer bis größerer Fehler zum Trotz – seit viel zu langer Zeit das erste Spiel, das ernsthaft den Versuch unternimmt, "Krieg der Sterne" nicht als eng abgestecktes Spiel-Terrain oder eine
Abfolge von Schlauch-Levels, sondern als lebendige Welt zu inszenieren. Etwas, was es dem ganzen "Disney+"-Content übrigens voraus hat. Dort fühlt sich "Star Wars" für mich nur noch wie ein
Sammelsurium aus Momentaufnahmen und Versatzstücken an, in deren Hintergrund ich keinen größeren Zusammenhang oder Plan als den mehr erkenne, die Community mit der Sorte Content zu füttern, von
der man glaubt, dass sie gerade funktionieren und für Quote sorgen könnte. Völlig unabhängig davon, was das für die Zukunft des Franchises bedeutet. Oder ob es zu seiner Vergangenheit passt. Im
schlimmsten Fall kann man ein ungeliebtes Serien-Stiefkind ja immer noch aus dem Canon schmeißen, oder? Also: Was soll's? Hau rein, anything goes!!
Bei "Outlaws" dagegen habe ich zum ersten Mal das Gefühl, als hätte sich ein anderer "Star Wars"-Fan genau die gleichen Gedanken über das Franchise gemacht, wie ich es immer getan habe. Zum
Beispiel dann, wenn ich in den frühen 90ern zusammen mit meinem Mainzer Rollenspiel-Freundeskreis Kampagnen im "Star Wars"-Pen-and-Paper von West End Games geleitet habe. Bevor die Prequels
erschienen sind und die Frage abschließend geklärt war, was denn überhaupt ein "Sith" ist. Als das "Star Wars"-Universum noch eine ziemlich unbeschriebene Leinwand war – und der perfekte
Tummeplatz für Künstler und kreative Fans, die Lucas' Filme als Steilvorlage für Comics, Romane oder eben auch Spiele benutzt haben, von denen rückblickend verdammt viele stimmiger und
aufregender waren als das, was Disney uns heute serviert. Und ja, das gemütlich zwischen "Imperium schlägt zurück" und "Rückkehr der Jedi-Ritter" gekuschelte "Outlaws" fühlt sich in seinen
schönsten Momenten sehr nach dieser Zeit an. Weil man hier einfach mal durch die Gegend schlendern, forschen, hover-biken, raumschiffen und "Star Wars" als das erleben kann, was es früher mal
war: Ein schrulliger Tummelplatz aus bizarren Gestalten, die auf einem gigantischen Schrottplatz leben, der sich nicht nur auf all den kargen, abgelegenen Welten des "Outer Rim" auftürmt, sondern
auch durch den Orbit dieser Welten trudelt. Ein bisschen so, als hätte man die abgelegenen Landstriche der USA als Vorlage für Weltraum-Abenteuer verwendet. Irgendwo zwischen Wild-SciFi-West und
Space-Rustbelt.
Nirgendwo sonst wird so deutlich, wie ur-amerikanisch, und ja, leider auch oft stock-konservativ "Star Wars" eigentlich ist. Oder wie Lucas' Marke so dermaßen erfolgreich werden konnte, warum sie
bis heute zu den wichtigsten Exporten der US-Popkultur gehört und warum Lichtschwert-schwingende Telekinese-Ritter gar nicht die wichtigste Zutat in der "Krieg der Sterne"-Rezeptur sind. Eine
Zutat, auf die "Outlaws" bewusst verzichtet. "Star Wars" ist hier also eher dreckig und räudig als fantastisch.
Schade nur, dass viele "Star Wars"-Fans all das gar nicht erst erleben werden – denn "Outlaws" scheint etwas zu beweisen, das ich schon lange befürchtet habe … nämlich, dass Ubisoft die
Deutungshoheit über seine Spiele längst verloren hat. Und dabei sind wir als Journalisten nicht ganz unschuldig: Zu lange haben wir auf der ach so austauschbaren Open-World-Formel des Herstellers
herum gehackt und die Community fast schon dazu aufgestachelt, dass Ubisoft vor allem eins ist – nämlich Ubi"schrott". Ungeachtet der Tatsache, dass uns die Franzosen und ihre Kollegen aus ihrem
weltweit verzweigten Studio-Geflecht über viele Jahre nicht nur mit kreativen Blockbustern, sondern auch ganz wunderbaren kleineren Spielen versorgt haben. Zugegeben: Gerade die Vertreter
letzterer Gattung sind im Ubisoft-Release-Mix immer seltener geworden. Wenn sie dann aber wieder mal auftreten, dann greifen wir auch nicht gerade so enthusiastisch zu, wie es eigentlich
angebracht wäre. Wie zuletzt beim grandiosen "Mario and Rabbids Sparks of Hope" der Fall, das völlig zu Unrecht zum Flop wurde.
Klar, natürlich kann man sich darüber streiten, wie weise es von Ubisoft war, fast seine kompletten Produktions-Pipelines auf Open-World-Spiele auszurichten und dabei allzu oft auf die gleiche
Design-Blaupause zurückzugreifen. Während man es darüber offensichtlich versäumt hat, auch mal Spiele zu entwickeln, die sich wirklich frisch anfühlen. Also ja: Die Ubi-Formel ist überreizt. Aber
keine Formel könnte so überreizt sein, dass sie die Bezeichnung "Ubischrott" rechtfertigen würde. Ganz so, als würde man sich dort nicht darum bemühen, die bekannte Rezeptur zu variieren oder
trotzdem interessante Geschichten mit einigen verdammt süßen Figuren zu erzählen. Die ich für meinen Teil immer noch sehr genieße – auch wenn es bei "Outlaws" ein bisschen länger gedauert hat,
weil sich Entwickler Massive gerne mal schwer damit tut, die verschiedenen Elemente und Features eines komplexen Games in ein homogen spielbares Ganzes zu verwandeln. Da hakt's bei den Schweden
manchmal etwas, wenn sie bei einem Projekt wie "Outlaws" oder "Frontiers of Pandora" nicht die Rolle des Supporters, sondern des Leit-Studios übernehmen.
Trotzdem würde ich für meinen Teil gerade die Abenteuer der "Outlaws" jederzeit einem "Elden Ring" oder ähnlichen Masochismus-Trips vorziehen – ich bevorzuge eine gemütlichere und mich nicht
derart offensiv in den Suizid drängende Gangart, wenn ich fremde Welten erforsche. Also ja: Es darf auch WEITERHIN gerne solche Open Worlds geben. (Robert Bannert)