Mit seiner Series X eröffnet Microsoft die Next-Gen-Schlacht. Mit dabei: eine superschnelle SSD und jede Menge Leistung. Aber spürt man das auch? elektrospieler ist Probe
gefahren.
FEATURE • Endlich oder – je nach persönlicher Präferenz – schon wieder mehr Power: Gerade mal vier Jahre nach der PlayStation 4 Pro bzw. drei Jahre nach Xbox One X gibt
es neue Hardware. Obwohl bereits Pro bzw. One X eine Art muskulöseres 4K-Upgrade darstellten, ist der Wechsel zur aktuellen TV-Technik erst durch die Veröffentlichung von Xbox Series X bzw. S und
PS5 endgültig vollzogen. Jetzt funktioniert 4K bei voller Detail-Last, ohne Skalierungs-Tricks – und das auch noch schön flüssig.
Theoretisch sollen die neuen Daddel-Kisten sogar 8K können – doch ob aufwendig inszenierte Spiele dann immer noch besonders flüssig laufen … naja, wir bezweifeln es. Wahrscheinlicher
ist wohl, dass sich Spiele für die neue Generation mit zunehmender Opulenz auf immer noch komfortablen und hoffentlich stabilen 60 fps unter 4K einpendeln. Wer einen Fernseher mit 120 Hz sowie
HDMI 2.1 (nebst kompatiblem Heimkino-Verstärker-Hub für das Durchschleusen des 2.1-Signals von Konsole zu TV) sein Eigen nennt, darf theoretisch auch mit 120 fps spielen – aber damit haben
offenbar schon jetzt einige Spiele ihre liebe Not. Ergo: Mit einem 4K- und HDR-fähigen 60-Hz-Fernseher ist man für die nächsten Videospieljahre vermutlich noch immer gut gerüstet. Und selbst wer
noch auf einem 1080p-Fernseher spielt, kommt in den Genuss spürbarer Grafik-Verbesserungen: Bei unseren ersten ausführlichen Testfahrten mit Microsofts Series-X-Konsole haben wir das Gerät zwecks
Grafik-Detail-Check zeitweise an einem 4K-Gaming-Monitor betrieben, aber noch häufiger mit einem 65-Zoll-Plassma-TV unter Full-HD-Auflösung gespielt.
Wo man das Performance-Plus am besten sieht
Und ja, die dank gesteigerter Performance-Pferdestärken erhöhte Detaildichte hat auf dem 4K-Bildschirm etwas imposanter gewirkt, aber auch auf dem Full-HD-Fernseher (wir sitzen knapp drei Meter
entfernt) und ohne HDR oder 120 Hz kam der Grafikvorsprung deutlich zum Tragen. Ob Ihr für die Next-Gen in einen neuen TV bzw. Monitor investiert, ist letztlich Eurem Geschmack und Geldbeutel
überlassen. Ob man z.B. einen sehr guten HD- gegen einen günstigen 4K-TV eintauschen sollte, wenn man außerdem über eine große Bluray-Sammlung verfügt, die auf dem 4K-Gerät u.U. nur
mittelprächtig hochskaliert wird, ist fraglich. Gut möglich, das in den nächsten Jahren Exklusiv-Entwicklungen für beide Systeme folgen, die diese Investition rechtfertigen – aktuell sehen wir
aber noch keine zwingende Notwendigkeit für den ganz tiefen Griff in die Brieftasche. Immerhin sind brereits die 500 Euro für eine neue Xbox bzw. Playstation kein Pappenstiel
– vorausgesetzt, man stürzt sich direkt auf die jeweilige Luxusausführung.
Apropos: Für unseren ersten Next-Gen-Test hat uns Microsoft bereits einige Tage vor Veröffentlichung seiner neuen Konsole eine Series X zur Verfügung gestellt, die neue PlayStation ist noch nicht
bei uns eingetrudelt. Auf einen System-Vergleich müsst Ihr deshalb noch etwas warten – dafür widmen wir uns an dieser Stelle umso ausführlicher der neuen Xbox. Die haben wir deshalb gleich
an einer ganzen Palette von neuen und älteren Titeln getestet, wobei letztere teilweise mit extra auf die Series X zugeschnittenen Performance- und Textur-Updates kommen. Obwohl wir leider keine
Zeit hatten, die Abwärtskompatibilität des Systems mit unserem kompletten Archiv an ursprünglich für Xbox, Xbox 360 oder Xbox One entwickelten Spielen auszuprobieren, haben wir einige der
wichtigsten Games dem Test unterzogen – darunter z.B. alle "Fable"-Spiele und "Witcher 2" auf der 360 sowie alle wichtigen Xbox-One-Exclusives. Und nein, Probleme hatten wir dabei keine. Die
Spiele lassen sich dabei wie gewohnt entweder gleich komplett aus dem Netz laden – oder man legt die jeweilige Scheibe zwecks Lizenz-Check kurz in die Disc-Luke, woraufhin ebenfalls der
Daten-Download aus der Cloud startet.
Bei jüngeren Xbox-One-Titeln wie "Gears 5" sind uns – entsprechende Next-Gen-Updates vorausgesetzt – visuelle Detailverbesserungen, aber vor allem der Geschwindigkeitszuwachs aufgefallen.
Klarer Fall: Dafür braucht man zwar keine neue Konsole – aber wenn man das alte System sowieso abräumen will, kann man bei seinen Lieblingsspielen ebenso gut von einigen Verbesserungen
profitieren. Neue und rundum Next-Gen-würdige Spiele sollte man allerdings keine erwarten – hierbei handelt es sich allenfalls um Überbrückungs-Snacks, bis passend zur neuen Hardware- auch
die nächste Software-Generation anrollt.
Besonders ausgiebig haben wir uns mit "Assassin's Creed: Valhalla" und "Watch Dogs: Legion" beschäftigt, die im Test beide deutliche Grafik- und Geschwindigkeitsvorsprünge gegenüber den jeweiligen Xbox-One-(X)- oder PS4-(Pro)-Versionen offenbart haben. Richtig deutlich wurde das an der schickeren Ausleuchtung: An dieser Stelle macht sich bereits die von beiden Next-Gen-Geräten unterstützte Raytracing-Technologie bemerkbar, die Licht-Streuung und -Brechung realistischer macht. Außerdem wirken Oberflächen dadurch noch plastischer – besonders gut sichtbar z.B. bei den Fels-Strukturen von "AC Valhalla", aber auch die Rinde von Bäumen oder die verspiegelte Chassis von Autos aus "Watch Dogs: Legion" sieht jetzt noch echter aus. Abgesehen von der schöneren Beleuchtung und gesteigerter Detailfülle fallen physische Effekte wie auf dem Wasser treibende Blätter oder Mülleimer in "Legion" auf, die nach einem Ramm-Manöver ihren Inhalt über den Gehweg verteilen.
Die SSD: superschnell oder einfach nur ein bisschen flotter?
Ein bisschen mehr erwartet haben wir allerdings von der SSD – zumindest etwas, das für uns als User direkt messbar ist: Der superschnelle Massenspeicher wurde im Launch-Vorfeld als echter
Quantensprung für den System-internen Daten-Transfer beworben, aber spürbare bis – in vereinzelten Fällen – sogar störende Ladepausen scheinen damit noch immer nicht der Vergangenheit
anzugehören. Ja, "Assassin's Creed" hat die meisten Schnellreise-Trips dank SSD in fünf bis acht Sekunden absolviert und ja, die auf PS4 bzw. Xbox One frustrierend langen Ladepausen, unter denen
"Watch Dogs: Legion" regelmäßig zu leiden hat, laufen auf der Series X ebenfalls – meistens – in einem Drittel oder der Hälfte der Zeit ab. Plus: Auch ältere Titel aus unserem Xbox-One-
oder sogar Xbox-360-Fundus starteten meist nicht dramatisch, aber immerhin merklich flotter als auf der Original-Hardware.
ABER: Die unfreiwillige Kaffeepause ist noch immer da und reißt unser Spielerlebnis – mal mehr, mal weniger intensiv – entzwei. Wer auf Instant-Loading wie bei einer klassischen
Cartridge-Konsole gehofft hat, wird enttäuscht. Aber immerhin müssen wir unseren Kaffee jetzt deutlich schneller trinken. Gut möglich außerdem, dass manche Entwickler das Speicher-Management des
Systems mit der Zeit so gut in den Griff bekommen, dass ihre Spiele künftig ohne "Break" auskommen. Immerhin hat Sony das bereits auf der PS4 geschafft: Sucker Punchs Open-World-Samurai aus
"Ghost of Tsushima" kommt gerade bei den Schnellreisen – fast – ohne die lästige Warterei aus.
Wer von beiden Next-Gen-Systemen bei der Lade-Geschwindigkeit die Nase vorn hat, wird wohl die Zeit zeigen. Auf dem Papier verfügt Sonys PS5 über die schnellere SSD und eine auf extrem fixen
Daten-Transfer hin getunte System-Architektur – die Series X wiederum besitzt einen extra Kompressions-Chip, um den Daten-Transport zu beschleunigen. Wir sind gespannt, welches Verfahren
sich langfristig als das geschicktere entpuppt.
Vielleicht werden First-Party-Entwicklungen die jeweilige Lösung – wie so oft – effektiver nutzen. Gerade auf der PS5 sollen Spiele wie Insomniacs neues "Ratchet & Clank" durch die
Nahezu-Abstinenz von Lade-Bildschirmen überzeugen, indem sie die – wie Mark Cerny es bei seiner Präsentation der Konsolen-Technik versicherte – quasi "Flaschenhals-freie" Architektur
der Hardware nutzen. Ob Drittanbieter das genauso gut hinkriegen, bleibt abzuwarten. Gut möglich, dass bereits Titel wie "Watch Dogs: Legion" oder "Assassin's Creed: Valhalla" den schnelleren
Daten-Transfer nutzen, um noch beim Durchqueren der Spielwelt schneller Daten in den Arbeitsspeicher der Konsole zu schaufeln. Vielleicht fühlen sich beide Series-X-Versionen der
Ubisoft-Blockbuster unter anderem deshalb so viel leichtgängiger und flotter an – aber das ist (bisher) lediglich eine Vermutung.
Nur mehr vom Altebekannten?
Was die Benutzeroberfläche anbelangt, hält die Series X keine Überraschungen bereit – denn sie ist (seit dem letztem System-Update) identisch mit der von der Xbox One bekannten. Das
hat zwar den Vorteil, dass man mit der Series X sofort klarkommt, aber andererseits fühlt sich das System dadurch … nun ja … etwas weniger aufregend an. Ein bisschen so, als hätte man
seinem Windows-PC ein Hardware-Upgrade verpasst. Das beschert uns mehr Spielspaß, aber kein neues Benutzer-Erlebnis. Obendrein finden wir die aktuelle Xbox-Oberfläche weder besonders intuitiv
noch hübsch – aber für besonders elegante oder schicke Software-Lösungen war der pragmatische IT-Riese Microsoft noch nie bekannt. Dennoch: Das Teil erfüllt seinen Zweck – außerdem sorgen
das schnellere System und die SSD dafür, dass wir jetzt wesentlich fixer durch App-Listen, Shop-Inhalte & Co. blättern. Passt.
Ganz ähnlich verhält es sich mit dem neuen Controller: Während Sony sein neues Eingabe-Gerät zum ersten Mal seit 23 Jahren sogar mit einem neuen Namen bedenkt ("DualSense") liefert Microsoft
hier "nur" mehr vom Altbekannten – einige Detailverbesserungen inklusive. Darunter sensiblere Schultertasten, ein griffigeres Digi-Kreuz und eine dank leicht aufgerauter Flächen allgemein
verbesserte Haptik. Höchst willkommen ist übrigens ein USB-C-Anschluss auf der Vorderseite. Der ermöglicht es uns, das Input-Gerät direkt mit der Xbox zu verkabeln und dabei unter anderem
aufzuladen – ein entsprechendes (und im Lieferumfang nicht enthaltenes) Akku-Pack vorausgesetzt. Schade: Als wir versucht haben, unsere für die Xbox One entwickelten Akkus in den
Series-X-Controller zu verfrachten, standen wir auf dem Schlauch – passt nicht!
Etwas ärgerlich finden wir außerdem, dass Microsoft erneut die Chance verpasst hat, der Xbox eine vernünftige Screenshot- bzw. Share-Lösung zu verpassen, wie man sie von der PS4 kennt: Zwar
dürfen wir Bildschirmfotos und Videos jetzt ähnlich bequem auf Button-Druck speichern wie bei dem Sony-System, aber warum passiert das so quälend langsam? Und wieso gibt es noch immer keine
vernünftige und intuitive Lösung, um die Daten auf einen USB-Stick zu ziehen? Zugegeben: Wer entweder einfach nur zum Spaß zockt oder seine Videos ohnehin mit einer externen Lösung wie der Elgato
abgreift, den tangiert das kaum. Für uns als Journalisten ist es allerdings ein echter Hemmschuh und könnte uns – wie schon bei der auslaufenden Hardware-Generation – ins PlayStation-Lager
treiben. Vorausgesetzt, Sony setzt bei der PS5 auf die gleiche (vergleichsweise schnelle und komfortable) Lösung wie bei der PS4. Aber: Auch das müssen wir noch prüfen.
Vorläufiges Fazit
Microsoft liefert – zumindest gefühlt – mehr vom Altbekannten und bleibt dem bisherigen Konsolen- sowie Controller-Konzept treu. Dadurch fühlt sich auch die neue Xbox wieder ein bisschen mehr nach Custom-Desktop-PC für den TV-Betrieb als nach echter Videospiel-Hardware an – ein Eindruck, der von dem in erster Linie für den Vertikal-Betrieb konzipierten Gehäuse unterstrichen wird.
Ausgesprochene Konsoleros könnten deshalb mit dem abermals etwas nüchtern gehaltenen Monolithen fremdeln: Hier wird einfach keine echte Begeisterung für das Hobby vermittelt. Wem das allerdings wumpe ist, der freut sich über das (zumindest auf dem Papier) leistungsstärkere der beiden Next-Gen-Systeme. Bisher ist der Performance-Vorsprung zwar nur bedingt spürbar, aber das ist zum Start einer neuen Generation ziemlich normal: Die meisten der verfügbaren Spielen müssen auch auf der Last-Gen-Hardware laufen und sind daher einfach noch nicht richtig für das neue System optimiert.
Etwas schade finden wir, dass es Microsoft nicht geschafft hat, seiner neuen Xbox wenigstens einen echten, eigens für die Series X entwickelten Exklusiv-Titel zu gönnen. Grafik-Updates für ohnehin schon verfügbare Spiele wie "Ori and the Will of the Wisps", "Gears 5" oder die letzen "Forza"-Spiele sind natürlich dankbar – aber kein echtes Kaufargument. Darum unser Tipp: Wenn Ihr Leistungs-Fetischisten mit einem sensiblen Blick für Grafik-Details seid oder Ihr Eurem 4K-TV eine Freude machen wollt, dann schlagt zu – vorausgesetzt, die 500 Euro tu Euch nicht weh. Ansonsten könnt Ihr die Kreditkarte erstmal stecken lassen und die Entwicklung während der kommenden Monate entspannt abwarten. Vielleicht wird ja das neue "Halo" der erhoffte System-Seller.