Darauf ein Horn voll Met: Nach Abenteuern im Morgenland, Ägypten, Europa und sogar an der alten Ägäis ziehen Ubisofts Adventure-Assassinen in die Welt der Wikinger um. Hier will die
jungen Kriegerin Eivor ihrem König im Kampf gegen die Angelsachsen beistehen und ihre eigene Open-World-"Saga" schreiben. Hersteller Ubisoft nutzt die Chance, um seiner Serie eine
Generalüberholung zu verpassen und mit ihr auf die neue Konsolen-Generation überzusiedeln.
KRITIK • PS5, PS4, Series X/S, PC • Darauf ein Horn voll Met: Nach Abenteuern im Morgenland, Ägypten, Europa und sogar an der alten Ägäis ziehen Ubisofts Adventure-Assassinen in
die Welt der Wikinger um. Hier will die jungen Kriegerin Eivor ihrem König im Kampf gegen die Angelsachsen beistehen und ihre eigene Open-World-"Saga" zu schreiben. Hersteller Ubisoft nutzt die
Chance, um seiner Serie eine Generalüberholung zu verpassen und mit ihr auf die neue Konsolen-Generation überzusiedeln.
Vor ziemlich genau 13 Jahren - nämlich am 15. November 2007 – hat der französische Hersteller Ubisoft mit dem ersten "Assassin's Creed" seine wertvollste Spiele-Marke auf den Weg gebracht.
Inzwischen haben die Kapuzen-Killer mehrere tausend Jahre Geschichte und fast alle Erdteile bereist. Sie haben bei "Assassin's Creed: Odyssee" im antiken Griechenland die Akropolis erkraxelt, für
"Assassin's Creed: Origins" die Pyramiden erklommen, im 12. Jahrhundert das Heilige Land erforscht, während der Renaissance gegen die Borgia gefochten, bei "Black Flag" an Bord stolzer
Piraten-Dreimaster die Karibik des späten 18. Jahrhunderts durchpflügt, für "Assassin's Creed 3" im Unabhängigkeitskrieg von Nordamerika gekämpft, mit "Unity" die Französische Revolution
beeinflusst und sind bei "Syndicate" zur Zeit der industriellen Revolution die Wahrzeichen Londons emporgeklettert.
All das war zwar ohne Ausnahme interessant präsentiert, opulent bebildert und mit jeder Menge Spielspaß garniert - aber die Integration des Assassinen-Ordens und seines Sekten-ähnlichen Credos
wirkte oft eher zwanghaft bemüht als virtuos erzählt. Immerhin musste man aus Vermarktungs-technischen Gründen Erklärungen dafür finden, was die Angehörigen des eigentlich im morgenländischen
Mittelalters beheimateten Orden in anderen Epochen und Ländern zu suchen haben.
Für den aktuellen und damit ersten Serien-Teil, der auch auf den Next-Gen-Konsolen Xbox Series X/S beziehungsweise PS5 läuft, mussten Ubisofts Autoren die meuchelnden Sektierer neben einer Horde
brandschatzender und plündernder Wikinger verorten: "Assassin's Creed: Valhalla" erzählt die Geschichte der norwegischen Kriegerin Eivor (oder auf Wunsch eines männlichen Axt-Schwingers desselben
Namens). Die musste während ihrer frühen Kindheit vor den Häschern eines feindlichen Wikinger-Fürsten flüchten, wurde dabei fast von einem Wolf verschlungen und dem aus dieser Begegnung
resultierenden Mal verdankt sie ihren Zweitnamen – "Wolfsmal".
Inzwischen gehört Eivor zur Gefolgschaft des Wikinger-Prinzen Sigurd und soll ihrem "Jarl" dabei helfen, die angelsächsischen Inseln zu erobern: Also machen Eivor und seine Stammes-Kollegen genau
das, was alle Siedler tun, wenn sie in einer neue Welt ankommen: Sie errichten eine Siedlung - darum bietet "Valhalla" zum ersten Mal seit den Abenteuern um Ezio Auditore eine Art
Simulations-Teil, in dem eifrige Häusle-Bauer mithilfe ihrer gesammelten Ressourcen Gebäude wie Baracken, Bäckerei, Handels-Kontor, Stallungen und Vogelhaus ausbauen, um die Performance ihres
Helden oder seiner kleinen Streitmacht zu pimpen.
Ebenfalls mit von der Partie: Zwei Angehörige des morgenländischen Assassinen-Orden. Die bilden den – erzählerisch allerdings fragwürdigen – Link zum Rest der Spiele-Reihe. Durch Verbesserungen
von deren Ordens-Haus motzt Eivor ihre eigenen Fähigkeiten als Leisetreter auf und erlernt Serien-typische Manöver wie den Todessprung, bei dem sich die Meuchler aus schwindelerregender Höhe ins
Wasser, Blätter oder einen Heuhaufen stürzen.
Doch abgesehen vom friedlichen Siedlungs-Bau gebärden sich Eivor und ihre Axt- oder Schwert-schwingenden Waffenbrüder wie waschechte Wikinger: Sie pflügen an Bord ihres Langschiffs (das außer
Eivor gerade mal zehn Nordmännern Platz bietet) durch die Wellen des Ozeans oder rudern durch Flüsse und Küstengewässer, um bei ausschweifenden Beutezügen Klöster, Burgen oder Ortschaften
abzufackeln und neben der ansässigen Krieger-Besatzung auch mal die Leben von unschuldigen Familienvätern, Bauersfrauen oder Kindern auszulöschen.
Aber Vorsicht: Wo gehobelt wird, fallen zwar "Spähne", aber wie immer ahndet "Assassin's Creed" das allzu enthusiastische "Aus dem Verkehr ziehen" von Unschuldigen durch die
"Desynchronisation" des "Animus" – denn "Valhalla" erzählt auf der Serien-typischen Gegenwarts-Ebene die Geschichte derselben jungen Wissenschaftlerin weiter, die sich bereits für "Origins" und
"Odyssey" in den genetischen High-Tech-Simulator gelegt hat.
Obwohl sich das Spiel sichtlich um den Spagat zwischen normannischer Hau-drauf-Action und dem etwas menschlicheren Assassinen-Credo bemüht, ist "Valhalla" noch mehr als seine Vorgänger vor allem
eines: ein nicht enden wollendes Massaker. Durch die Luft segelnde Körperteile, um Hilfe schreiende Opfer, lichterloh brennende Gebäude – trotz der Moral-Grätsche will Ubisoft das Wikinger-Dasein
so anschaulich wie möglich abbilden. Und nicht selten beugt man dabei die Grenzen des guten Geschmacks empfindlich oder überschreitet sie gleich komplett.
Auch auf spielerischer Seite bemühen sie die Entwickler von Ubisoft Montreal um so manchen mutigen, aber längst nicht immer souverän gemeisterten Kompromiss: Weil sich bei "Origins" und "Odyssey"
viele Spieler über das immer stärker wuchernde Rollenspiel-Element beklagten, hat man das Spiel an dieser Stelle gehörig entschlackt. Zwar wollen noch immer fleißig Fertigkeiten erlernt und
Punkte verteilt werden, aber neuerdings versteckt man den nach wie vor im Hintergrund ratternden Erfahrungspunkte-Zähler und wird aus der ehemaligen Charakter-Stufe plötzlich die Helden-"Stärke"
– obwohl der Spielmechanismus der gleiche bleibt. Das Resultat ist ein System, das sich zwar noch immer nach Rollenspiel anfühlt, aber weniger transparent und daduch schlechter kalkulierbar
ist.
Ganz ähnlich ergeht es dem für "Assassin's Creed"-Spiele obligatorischen Federvieh: Anstelle eines Adlers oder Falken wird Eivor stilecht von ihrem Raben-Kumpel Synin begleitet – und der erfüllt
einmal mehr die Rolle einer lebendigen Erkundungs-Drohne, wenn er krächzend über Siedlungen, Feindeslager oder Schlachtfelder gleitet. Doch anders als bei Synins gefiederten Kollegen aus den
anderen Episoden markiert das Spiel keine Gegenstände, Schätze, Gegner oder Story-relevanten Objekte, sobald er seinen Vogel-Blick darüber schweifen lässt.
Durch diesen "Kniff" möchte Ubisoft wohl dafür sorgen, dass sich "Valhalla" mehr nach "Witcher 3"-ähnlichem Abenteuer-Trip und weniger nach dem für die Serie typischen Abarbeiten von Markierungen
anfühlt. Nur: Weil die Spielwelt wie gewohnt gigantisch groß ist und eine unüberschaubare Fülle von Fundstücken, Missionen oder Hinweisen birgt, wird sie durch die Kastration der Drohnen-Funktion
viel zu unübersichtlich. Und zwar bis zu einem Punkt, an dem man frustriert das Handtuch wirft und damit aufhört, die Kulisse nach Geheimnissen zu durchforsten. Hätte Ubisoft die grundsätzliche
Spielstruktur überarbeitet und die Dimensionen des Schauplatzes sowie seiner Erzählungen verdichtet, würde die Entschlackung des Vogel-Features mehr Sinn ergeben. Hat man aber nicht.
Also hangelt sich Eivor stattdessen ungewohnt geradlinig von einer Handlungs-Mission zur nächsten, während sie auf dem Weg dazwischen eine zwar prachtvolle Kulisse genießt, mit der sie aber –
abgesehen vom puren Sightseeing – immer weniger anzufangen weiß. Immerhin: Das ist gerade auf den beiden Next-Gen-Geräten wegen der schieren Detailfülle ein echter Augenschmaus. Obendrein hat man
sich diesmal mit der Inszenierung der Haupt-Geschichte besonders viel Mühe geeben: Trotz des schlicht dämlichen Wikinger-Assassinen-Spagats wird Eivors "Saga" nicht nur opulent, sondern vor allem
angenehm humorig präsentiert. An dieser Stelle macht das neue "Assassin's Creed" deutlich mehr Spaß als seine direkten Vorgänger.
Auch das irgendwo zwischen "Odyssey" und einem modernen Kampfspiel angesiedelte Draufhauen, Abwehren, Ausweichen sowie Auslösen von Spezialattacken fühlt sich natürlicher und Energie-geladener an
als bei anderen Serien-Teilen – genauso muss eine interaktive Wikinger-Schlacht ablaufen! Schade nur, dass Ubisoft darüber das bisherige Kern-Merkmal seiner Serie aus den Augen verloren hat: die
Möglichkeit, einen riesigen Sandkasten zu erforschen und dabei seine eigene Geschichte zu schreiben, anstatt sie vom Spiel-Designer diktiert zu bekommen. So ist "Valhalla" ein launiges und
wunderschönes Open-World-Spiel, das sich aber viel zu oft kaum nach Open World anfühlt.
elektrospieler meint: "Assassin's Creed: Valhalla" macht dank seiner prachtvoll präsentierten Open World, stimmungsvollen Wikinger-Drumherums und eines angenehm schnörkellosen Kampfsystems viel Laune. Leider erweisen sich manche Änderungen etablierter Serien-Mechanismen als kontraproduktiv – allen voran die Feature-Kastration von Eivors Raben-Drohne Synin, die wie ein gefiederter Maulwurf über der Open World kreist – blind und nutzlos. Auch die in "Odyssee" zelebrierten Seeschlachten haben wir schmerzlich vermisst.
Note: 8.0 (GUT)
WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend