Fahren, ballern, jede Menge krumme Dinger drehen und zwischendurch ein bisschen Gangster-Pathos: Auch als "definitive Edition" ist "Mafia" nicht mehr ganz auf der Höhe der Gameplay-Zeit. elektrospieler verrät, warum der Oldtimer trotzdem kaum etwas von seiner Faszination eingebüßt hat.
KRITIK • PS4 • Xbox • PC • Rauchkringel-ausstoßende, selbstgefällige Paten, schießwütige Ganoven, wilde Auto-Verfolgungsjagden durch die Häuserschluchten von US-Metropolen,
Schutzgeld-Dramen, ein Leben für die "Familia" und irgendwo dazwischen ein Hauch von Menschlichkeit – gepaart mit der leisen Ahnung, dass es nicht ewig so weitergeht. Weil man sonst im Knast
oder tot im Rinnstein endet. Oder beides. Nacheinander.
Derartige Film-Szenarien und Kino-Klassiker über das organisierte Verbrechen gibt es jede Menge und nicht wenige davon sind in der Hochzeit der Cosa Nostra angesiedelt – den 1920er- und
30er-Jahren, als die italienischen Mafia-Clans von der Alkoholprohibition in den USA profitierten. In dieser Ära ist auch das erste, vom tschechischen Entwickler Illusion Softworks (heute 2K
Czech) umgesetzte "Mafia" angesiedelt, das 2002 für PC, PS2 sowie Xbox erscheint. Das ungewöhnliche an dem Gangster-Epos: Eine stimmige Kombination aus Elementen von Rockstars "GTA"-Serie mit
einem (für damalige Verhältnisse) fast schon filmisch inszenierten Drama.
Zwei Teile und 18 Jahre später – wobei "Mafia 2" in den 40er- und "Mafia 3" in den 60er-Jahren angesiedelt ist – verpasst Publisher 2K dem Debüt seiner Verbrecher-Trilogie ein
Rundum-Makeover: Während "Mafia 2" und "Mafia 3" als Bestandteil der "Mafia Trilogy" vor allem durch eine Gratis-Dreingabe aller bekannten Zusatzinhalte punkten (eine merkliche Aufhübschung hat
man sich hier gespart), ist die "Definitive Edition" des Ur-"Mafia" vor allem deshalb interessant, weil es als einziges von den drei Spielen mehr als nur dezent bearbeitet wurde: Geschichte und
Missions-Verlauf entsprechen zwar größtenteils dem Original von 2002, aber das für die Remake-Version verantwortliche Studio Hangar 13 (bekannt durch "Mafia 3") hat die fiktive Metropole "Lost
Heaven" von Grund auf neu konstruiert – und zwar mit Hilfe derjenigen Entwicklungs-Werkzeuge, mit denen man bereits bei "Mafia 3" zugange war.
Das kommt nicht nur der Kosmetik des Spiels, sondern vor allem den Oldtimer-Fahrten durch die zeitgenössisch ausstaffierte 30er-City und den zahlreichen Feuergefechten (Genry-typisch aus der
Deckung von Kisten, Geländern o.ä. heraus) zugute. Kurverei und Ballerei fühlen sich zwar etwas steifer an als man es von aktuellen Action- und Open-World-Titeln gewöhnt ist – aber mit einiger
Eingewöhnung ist der anfangs zickig wirkende Protagonist Tommy Angelo in den Griff zu kriegen. Heute wie damals traktiert uns "Mafia" mit einigen Einsätzen, bei denen das sonst moderate
Spiel-Niveau schlagartig in frustige Höhen schießt – aber für diesen Fall hält die Reise durch Lost Heaven einen drastisch entschärften Schwierigkeitsgrad bereit. In Anbetracht der nicht immer
optimal abgerundeten Spielbalance und vieler unfair platzierter Rücksetzpunkte eine Wohltat.
Ansonsten hat "Mafia" die gleichen Stärken und Schwächen wie im Jahr 2002 – nur, dass sie im Angesicht einer größeren und reiferen Open-World-Konkurrenz heute neu bewertet werden müssen. Die
Geschichte um Taxi-Fahrer Tommy Angelo, der durch Zufall in eine von mehreren konkurrierenden Mafia-Familien schlittert, zitiert pflichtbewusst aus dem Genre-Regelbuch und vermittelt seine
Geschichte mittels glaubwürdig chargierender Digi-Mimen sowie Zwischensequenzen, kratzt aber in Bezug auf die Entwicklung seiner Figuren zu oft nur an der Story-Oberfläche.
Klarer Fall: Hier ist man von aktuellen Action-Adventure-Schwergewichten mehr Tiefgang gewöhnt. Auch die damals noch zeitgemäße Quasi-Open-World ist heute – obwohl in der "definitiven
Edition" zeitgemäß aufgehübscht – kein Grund mehr, um sich für eine Fahrt nach Lost Heaven hinter das Oldtimer-Steuer zu klemmen: Obwohl das überschaubare große Straßennetz der Stadt kreuz und
quer befahrbar ist, sind wir meist damit beschäftigt, der roten Linie zu folgen, um von einem Einsatzort der Story zum nächsten zu gondeln – Nebenmissionen gibt es in Lost Heaven ebensowenig
wie alternative Beschäftigungsmöglichkeiten. Den Schäfchen des Dons beistehen, indem man für sie Botengänge erledigt? Minigolf spielen? In einen digitalen Hot-Dog beißen? Randalierend durch die
Straßen kreuzen, um den Cops eine lange Nase zu drehen? Fehlanzeige! Oder genauer: Wer die "definitive Edition" von "Mafia" gelöst hat, darf die Stadt im Freifahrt-Modus nach bisher unentdeckten
Geheimnissen durchforsten (überwiegend Zeitschriften und Comic-Heftchen) oder für ein bisschen Chaos sorgen – aber ohne Nebenmissionen fühlen sich auch diese Beschäftigungen bestenfalls obsolet
ab.
Auch das "Mafia"-Remaster kennt nur einen Kurs – und der führt schnurstracks geradeaus… vom ersten bis zum letzten schicksalhaften Kapitel in der mal dramatischen, dann wieder humorigen
Geschichte von Tommy Angelo. Und genau darin liegt noch immer der eigentliche Reiz des Spiels: Teil eines angenehm unkomplizierten, interaktiven, mit effektvoller Action und kernigen Sprüchen
angereicherten Mafia-Streifens zu sein, der nach einem Wochenende beendet ist und obendrein auf einer interessanten Story-Prämisse fußt – vorausgesetzt, man gibt sich damit zufrieden, dass
"Mafia" zugunsten von viel "BRUMM" und "KAWUMM" vielleicht ein paar emotionale Leerstellen zu viel lässt.
elektrospieler meint: Das "Mafia"-Remake bereitet Genre-Fans trotz überschaubaren Umfangs und mangelnden Story-Tiefgangs für einige Abende oder ein durchzocktes Wochenende eine Menge Spaß. Im Zeitalter gigantischer Open-World-Brocken zeichnet sich der Titel durch seine inzwischen fast schon wieder erfrischende Einfachheit aus.
Note: 7.5 (GUT)
WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend