Puppige 3D-Häuser und knuffige Polygon- statt Pixel-"Puscheln": Kurz nachdem Square Enix seinen 16-Bit-Klassiker "Trials of Mana" als Bestandteil der "Collection of Mana" zum ersten Mal
im Westen veröffentlicht hat, spendiert man dem Action-Adventure ein Rundum-Remake. Aber macht das auch genausoviel Spaß wie das gepixelte Original von 1995?
KRITIK • PS4, Switch • Zu den großen Klassikern für Nintendos 16-Bit-Super-NES gehört Squaresofts "Secret of Mana": Das knuffige Action-Adventure der "Final Fantasy"-Macher
kombiniert 1993 erstmals eine "Zelda"-inspirierte Action-Adventure-Welt mit den Spielmechanismen eines klassischen Rollenspiels. Resultat des Experiments: "Secret of Mana" wird weltweit Kult.
Trotzdem schafft es der Nachfolger "Seiken Densetsu 3" oder "Trials of Mana" zwei Jahre später nicht über die Grenzen seiner japanischen Heimat hinaus - der Weg in den Westen scheitert am
rasanten Vormarsch der PlayStation-Generation.
Erst 24 Jahre kommt der Fernost-Geheimtipp als Bestandteil der "Collection of Mana" (Nintendo Switch) zusammen mit seinen beiden Vorgängern erstmals auch in unsere Gefilde. Allerdings ist
diese Veröffentlichung nur etwas für eingeschworene Fans: Der Reiz der ursprünglich für das Super-Nintendo gepixelten 2D-Grafiken erschließt sich heute nicht mehr jedem Adventure-Gamer.
Darum hat Square Enix dem Klassiker jetzt ein - zumindest halbwegs zeitgemäßes - Remake verpasst: Das mithilfe der Unreal Engine realisierte Action-Adventure setzt dem Original vielleicht kein
zeitlos schönes Denkmal, aber tatsächlich hat man die knuffige Comic-Welt der Vorlage Haus für Haus und Baum für Baum in eine verblüffend authentische Polygon-Puppenstube verwandelt. Inklusive
all der niedlichen Monsterlein und herzigen Charaktere, die schon das Vorbild ausgezeichnet haben. Darunter immerhin sechs verschiedene Alter Egos, in die man zu Spielbeginn schlüpfen darf - von
der mit einem Speer bewaffneten Amazone über den scharfzüngigen Dieb und eine possierliche Fee bis hin zum wüsten "Beastman", der sich bei Nacht in einen Klauen-bewehrten Werwolf verwandelt.
Weil wie bei "Secret of Mana" ein Team aus drei Figuren durch die niedliche Manga-Welt stiefelt, darf der Spieler außerdem zwei KI-kontrollierte Begleiter festlegen - die restlichen drei Charaktere werden dann später als Gegner auf die Spielbühne gerufen. Weil sich daraus eine stattliche Auswahl verschiedener Spiel-Szenarien und Story-Twists ergibt, lädt "Trials of Mana" zur mehrmaligen Wiederholungstat ein - eine der größten Stärken des sonst eher sparsam inszenierten Adventures. Schade: Anders als beim Original von 1993 lassen sich die Mitstreiter nicht von anderen Gamern kontrollieren - einen Multiplayer-Modus gibt es nicht mehr.
Das berüchtigte Ring-Menü des 16-Bit-Vorbilds hat Square Enix übrigens etwas entschärft, indem man die verschiedenen Menüs für Fähigkeiten- und Ausrüstungs-Auswahl jeweils auf den oberen oder
unteren Bildrand verbannt hat. Etwas fummeliger gibt sich dafür das merklich verfeinerte Interface zur Rollenspiel-artigen Steigerung von Werten, Fähigkeiten und Zauberkunststücken: Wer eifrig
durch die putzige Spielwelt marodiert, um mit flinken Echtzeit-Attacken niedlichen Kreaturen wie "Pogo-Puscheln" die Lebenspunkte aus dem 3D-Leib zu dreschen, der kassiert dafür eifrig Punkte,
die sich später in Steigerungen ummünzen lassen - an dieser Stelle ist das Abenteuer wie sein Vorgänger mehr Rollenspiel als Adventure. Die verschachtelte Menü-Struktur, mit deren Hilfe man diese
Fortschritte bändigt, ist leider extrem gewöhnungsbedürftig.
Doch auch abseits des Menü-Gewurschtels weiß das Remake nicht nur zu begeistern: Gemessen an heutigen Grafik-Standards gibt das neue "Trials of Mana" ein merklich schwächeres Bild ab als das
Original - das gehörte seinerzeit nämlich zur absoluten Inszenierungs-Oberschicht der auslaufenden 16-Bit-Generation. Oder anders ausgedrückt: Aus dem damaligen Blockbuster- ist ein
Low-Budget-Game geworden.
Wer allerdings große Lust auf ein angenehm unkompliziertes und herziges Japan-Adventure mit extra viel Anime-Zuckerguss hat, der könnte bei der Suche nach dem Mana-Baum trotzdem glücklich werden:
Damals wie heute geht "Trials of Mana" leicht von der Hand, außerdem verwöhnt das Remake zumindest phasenweise mit (allerdings englischer) Sprachausgabe, gelungenen deutschen Bildschirmtexten,
einer klangvollen Neu-Interpretation des bekannten Soundtracks (alternativ lässt sich die Original-Musik einschalten) und modernen Features wie einer Auto-Map nebst dazugehörigen
Quest-Markern.
Für derzeit 50 Euro ist das Adventure leider einen Tick zu teuer, aber wer es für 30 oder 40 Euro ergattern kann, verleibt es gerne der Action-Adventure-Sammlung ein - vorausgesetzt allerdings,
er besitzt noch nicht das Original. Passionierte Retro-Zocker können sich die Neu-Interpretation getrost sparen. Hinzu kommt, dass man dem Original wegen seines herzigen Retro-Charmes
Design-Entscheidungen und Story-Blüten verzeiht, die beim Remake auf einmal unangenehm ins Gewicht fallen – darunter
Note: 7.0 (GUT)
WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend