Insert Coin: der "Capcom Home Arcade Stick"


 

Arcade-Brett mit Stick: Der "Capcom Home Arcade" will mit 16 vorinstallierten Spielen und edler Coin'Op-Haptik das Spielhallen-Gefühl der 90er einfangen – der Kunde zahlt dafür einen stolzen Preis.

FEATURE • Kleinst-Konsolen mit Retro-Charme haben seit Nintendos Mini-Serie Hochkonjunktur. Erst vor einigen Wochen haben wir SEGAs Mega Drive Mini genau in Augenschein genommen, jetzt ist der "Capcom Home Arcade"-Stick an der Reihe: Der ist zwar weit weniger handlich als seine Kollegen, aber dafür kommt der Arcade-Klopper auch mit einer Controller-Lösung, die (zumindest annähernd) auf Spielhallen-Niveau rangiert: Wie bei einem Automaten-Gehäuse drängen sich zwei komplette Kontroll-Einheiten – jeweils bestehend aus Stick und acht Buttons – aneinander, sodass ausgelassenem Zweispieler-Gekloppe und -Geballere am selben Bildschirm nichts im Wege steht. Allzu aufdringliche Kuschel-Einlagen mit dem Nachbarn lassen sich dabei gut vermeiden, denn Capcoms Arcade-Stick ist großzügig angelegt.

 

Auch bei der Verarbeitung gibt sich das Schmuckstück keine Blöße: Ist die Gestaltung im Form es Capcom-Logos noch Geschmacksache, wird an satt klickenden Mikroschaltern, angenehm wuchtigem Gewicht (Gummi-Noppen an der Unterseite inlusive) und der allgemein robusten Verarbeitung (Capcom verwendet hierfür wie in der Spielhalle Original-Sanwa-Ausrüstung) des Geräts keiner was zu meckern haben. Vermutlich ist es genau diese luxuriöse Ausstattung, die den stattlichen Preis des Systems wenigstens halbwegs rechtfertigt: Immerhin schlägt Capcoms Monster-Stick mit fast 230 Euro zu Buche – spürbar mehr als bei den Mini-Systemen der anderen Hersteller. Und das, obwohl er mit gerade mal 16 vorinstallierten Spielen kommt – vergleichsweise wenig. Immerhin handelt es sich dabei allerdings um Original-Arcade-Klassiker – darum ist der Stick auch für solche Retronauten interessant, die während der 90er-Jahre noch keine Spielhalle stürmen durften.

 


Sieht zwar gewöhnungsbedürftig aus, fühlt sich aber großartig an: der "Capcom Home Arcade"Stick. Die Mikroschalter verursachen ein angenehm befriedigendes Klicken.
Sieht zwar gewöhnungsbedürftig aus, fühlt sich aber großartig an: der "Capcom Home Arcade"Stick. Die Mikroschalter verursachen ein angenehm befriedigendes Klicken.

Aufs Maul – und Hände hoch!

 

Mit "Street Fighter 2: Hyper Fighting" und dem ersten "Darkstalkers" befinden sich zwei ikonische Fighting-Games in der Sammlung, außerdem gibt es reichlich Klopper-Kost im Horizontal-Betrieb: Neben "Final Fight" (anders als beim Super-Nintendo-Port mit Zweispieler-Modus) findet sich das schräge "Captain Commando" auf dem Stick, bei dem wir entweder in der Rolle des Titelhelden, als Mecha-reitendes Baby, Ninja oder Schwert-schwingende Mumie Hiebe austeilen. Klares Prügel-Highlight des Systems ist allerdings "Alien vs. Predator", das den Spieler wahlweise in die Rolle eines Marines oder Predators schlüpfen lässt, um dann – je nach Charakter – mit Schießgewehr oder Klingenwaffe aufdringliche Xenomorphe zu zerschnetzeln. Die  auf den prominenten Film- und Comic-Marken basierende Pixel-Klopperei erscheint auf diesem Wege erstmals außerhalb der Spielhalle und in unseren Breiten. Ebenfalls auf ihre Kosten kommen Mecha-Fans: Während sich die seitwärts scrollenden "Armored Warriors" an die Fersen von "Final Fight" & Co. heften, ist "Cyberbots: Full Metal Madness" ein Fighting-Game nach "Street Fighter"-Logik, das sich mit den "Armored Warriors" allerdings denselben Roboter-Kosmos teilt. Kein Jump'n'Run wie die "Mega Man"-Abenteuer von Konsole ist das wunderschön gepixelte "Mega Man: The Power Battle", bei dem der blaue Bomber in einer Art Prügelbetrieb gegen verschiedene Bosse antritt.

Auch Freunde gepflegter Arcade-Schießbuden bekommen reichlich zu tun: Neben der ausgezeichneten Vertikal-Ballerei "1944: The Loop Master" findet sich das ähnlich angelegte "Gigawing" in der Retro-Kollektion. Wer lieber horizontal ballert, hält sich an den Effekt-gespickten Steampunk-Shooter "Progear", der außerdem mit einem der stärksten Spielhallen-Soundtracks seiner Zeit aufwartet. Etwas gewöhnungsbedürftig, aber trotzdem ein paar Spielchen wert sind die horizontalen "Eco Warriors", bei denen wir auf Button-Druck eine bewegliche Kanone um ein knuffiges Raumschiffchen herum kreisen lassen, um die aus verschiedenen Richtungen anrückenden Feindgeschwader unter Beschuss zu nehmen.

 


Gehören beide zu den Highlights der Spiele-Kollektion: die Horizontal-Prügler "Alien vs. Predaor" (links) und "Final Fight".
Gehören beide zu den Highlights der Spiele-Kollektion: die Horizontal-Prügler "Alien vs. Predaor" (links) und "Final Fight".

Gelungene Spieleauswahl?

 

Capcoms legendärer Jump'n'Run- und Action-Klassiker "Ghouls'n Ghosts" wiederum ist eine grandiose Gelegenheit, einen wichtigen Vorvater des "Dark Souls"-Folter-Betriebs in seiner ursprünglichen Form zu erleben. Ähnlich Action-geladenes Jump'n'Run-Vergnügen bietet das Abenteuer von Schwertkämpfer "Strider" – einer von wenigen Genre-Vetretern dieser Zeit, die nicht zuerst über Konsolen-, sondern Spielhallen-Schirme geflackert sind (ein hervorragender Heim-Port des Titels findet sich außerdem auf dem Mega Drive Mini). Wer dagegen seine grauen Zellen auf Trab halten möchte, gibt dem "Tetris"-verwandten "Super Puzzle Fighter 2 Turbo" eine Chance.

Und schlussendlich hat sich sogar ein Sportspiel auf den "Capcom Home Arcade" verirrt: Der "Capcom Sports Club" ist ein knuffig illustriertes Spielhallen-Trio aus Tennis, Fußball und Basketball. Obwohl alle drei Disziplinen nicht mit viel Anspruch verwöhnen, so überzeugen sie doch durch ihre saubere und unkomplizierte Spielbarkeit, die vor allem im Zweispieler-Betrieb Laune macht.

Die Spielauswahl ist also fast durchweg gelungen, dafür aber etwas knapp ausgefallen. Spätere Spielhallen-Versionen von "Street Fighter 2" oder den "Darkstalkers" und 20 anstelle von lediglich 16 Arcade-Klassikern hätten zumindest bei uns einen runderen Eindruck hinterlassen. Weil der Stick neben HDMI-Kabel (für den TV-Anschluss) und Mini-USB-In (für die Stromversorgung) noch einen normalen USB-Eingang bietet, sind Fan-seitige System-Hacks, um die Konsole mit mehr Automaten-Roms zu füttern, quasi vorprogrammiert. Positiv: Anders als die bisherigen Retro-Systeme bringt der Capcom-Stick sein eigenes USB-Netzgerät mit, auch der nötige Kabelsalat liegt bei.

 


Finden im selben Mecha-Universum statt: die Horizontal-Klopperei "Armored Warriors" (links) und ganz viel Duell-Dresche bei "Cyberbots: Full Metal Madness" (rechts).
Finden im selben Mecha-Universum statt: die Horizontal-Klopperei "Armored Warriors" (links) und ganz viel Duell-Dresche bei "Cyberbots: Full Metal Madness" (rechts).

Dürftige Einstell-Möglichkeiten und fehlende Savepoints

 

Etwas weniger glücklich sind wir mit den Einstell-Möglichkeiten des Geräts: Hat man erstmal begriffen, dass man das entsprechende Menü mithilfe einer Viertel-Stick-Drehung von unten nach rechts erreicht (die karge Anleitung schweigt sich dazu aus), entdeckt man zwar einen Menüpunkt für die Internet-Vernetzung via Wifi (für spätere System-Updates), aber bei den Bildausgabe-Möglichkeiten gibt sich die Software geizig. So dürfen wir zwar entscheiden, ob wir die enthaltenen Titel im Original- oder verschiedenen Streck-Formaten bespielen wollen, aber das wichtige Scanline-Feature lässt der Stick vermissen. Stattdessen gibt es nur die Möglichkeit, das sonst knackscharfe Pixelbild weich zu zeichnen – vielleicht in der Hoffnung, dass die Spiele dann ein wenig mehr so wirken, als würde man sie auf einem alten Röhren-Bildschirm genießen. Dafür fehlt allerdings – wie gesagt – der nötige Scanline-Filter.

Ebenfalls schmerzlich vermisst haben wir die sonst standardmäßig in allen Mini-Konsolen und emulierenden Retro-Systemen vorhandene Möglichkeit, den Spielfortschritt in einem oder mehreren Save-Slots jederzeit speichern zu können. Zugegeben: Weil die meisten Arcade-Games mit unendlichen Continues kommen und hier statt des in der Spielhalle üblichen Münzeinwurfs nur ein Button-Druck nötig ist, macht sich dieser Nachteil nicht gar so gravierend aus. Dass Capcom ausgerechnet dieses wichtige Feature ausgelassen hat, verstehen wir trotzdem nicht so ganz – vor allem "Strider" hat ohne selbstangelegte Savepoints gesteigertes Frust-Potential.

Ob man sich den "Capcom Home Arcade" für stolze 230 Euro ins Spielzimmer stellen möchte, ist demnach nicht nur Geschmacksache, sondern vor allem eine Frage der individuellen Geldbeutel-Tiefe: Wer sich die Anschaffung leisten kann, ohne dafür z.B. auf sein PlayStation-5-Sparkonto knacken zu müssen, der freut sich über ein angenehm hochwertiges und authentisches Spielerlebnis. Mängel wie das träge Interface, das beim Verlassen der Spiele jedesmal komplett neu bootet oder der fehlende Scanline-Filter stören zwar, werden aber vielleicht mit einem der kommenden System-Updates nachgeliefert. Wirklich geärgert hat uns eigentlich nur, dass sich der hochwertige und teure Stick für 230 Euro nicht mit anderen Konsolen verbinden lässt, um dort ungehemmtes Arcade-Feeling zu verbreiten. Auch hier hoffen wir auf kommende System-Updates.

 


 

Alle 16 vorinstallierten Spiele auf einen Blick:

 

1944: The Loop Master

Alien vs. Predator

Armored Warriors

Captain Commando

Capcom Sports Club

Cyberbots: Full Metal Madness

Darkstalkers: The Night Warriors

Eco Warriors

Final Fight

Ghouls'n Ghosts

Gigawing

Mega Man: The Power Battle

Progear

Street Fighter 2: Hyper Fighting

Strider

Super Puzzle Fighter 2 Turbo