Cops an der Kette: Astral Chain


 

KRITIK • Switch • Mit zwei durchgeknallten Effekt-Orgien um die schießwütige Hauruck-Hexe "Bayonetta" kämpfte sich das japanische Studio Platinum-Games in die Herzen von hartgesottenen Action- und Kampfspiel-Fans. Außerdem ist der Entwickler für seine unorthodoxen Kontroll- und Spiel-Konzepte bekannt. Im WiiU-exklusiven "The Wonderful 101", bei dem eine Hundertschaft aus schrägen Superhelden durch eine Art Miniatur-Welt wuselt, ging die Rechnung auf - im ebenfalls für die WiiU veröffentlichten "Star Fox Zero" wiederum legte man damit eine spektakuläre Bruchlandung hin.

Mit "Astral Chain" wagt sich das Team jetzt erneut an ein im japanischen Manga- und Anime-Kosmos beheimatetes Thema. Allerdings gibt sich das eigens für Nintendos Switch produzierte Cop- und Action-Drama gerade visuell deutlich bodenständiger als von Platinum gewohnt: Eine paranormal geschulte Spezialeinheit aus jungen Polizisten jagt Monstrositäten aus einer anderen Dimension. Die Biester haben mit Ausnahme dieser letzten städtischen Enklave schon die ganze Welt überrannt - darum stehen die Super-Cops als einzige zwischen der Menschheit und ihrer totalen Auslöschung. Aber bloß keinen Druck bitte!

Wie jede Polizeieinheit, die etwas auf sich hält, haben auch die "Neuron Officers" ihre eigenen Spürhunde: Die stammen aus derselben zwielichtigen Welt wie die Invasoren, wurden allerdings adäquat gezähmt und liegen an der Kette. Solange man die Kreaturen nicht überstrapaziert, suchen sie brav nach astralen Spuren - aber vor allem im Kampf gegen die riesigen Dämonen bewährt sich das paranormale Getier: Die sogenannten "Legion" teilen an der Seite von Polizei-Frauchen und -Herrchen brutale Hiebe aus, verbeißen sich mit Wonne in den Polygon-Waden selbst gigantischer Bestien oder umschlingen die Feinde so kunstvoll mit der Kettenleine, dass die Brocken für kostbare Momente an Ort und Stelle verharren müssen, wo sie den Attacken von Cop und Legion schutzlos ausgeliefert sind. Für den Spieler bedeutet das vor allem viel hektisches Button-Gehämmere, bei dem längst nicht immer klar ist, wer gerade warum auf wen eindrischt: Wie bei den meisten Spielen von Platinum ist der Controller mitunter so prall belegt, dass nur ausgesprochene Kampfspiel- und Action-Profis die Übersicht behalten – vorausgesetzt,  sie haben eine Schwäche für Spiele mit extrem komplexem Input-Interface.

 



 

Immerhin sind Platinums Helden damit imstande, inner- wie außerhalb des Kampfes eine Menge launigen bis nützlichen Unsinn anzustellen: Wer den passenden Legion-Begleiter an seiner Seite weiß, kann zum Beispiel besonders schwere Lasten wuchten, tiefe Schluchten überqueren oder auf dem Rücken eines Hunde-ähnlichen Dämonen durch fremdartige Dimensionen galoppieren. Schade nur, dass sich die Entwickler diesmal wenig Mühe dabei gegeben haben, ein interessantes Szenario zu gestalten: "Astral Chain" spielt sich in weitgehend sterilen und detailarmen Schauplätzen ab, während die 3D-Figuren Roboter-haft agieren und ihre Dialoge mit starren, emotionslosen Gesichtern vortragen. Selbst eine ordentliche (englische) Lippen-Synchronität hat man dem Titel vorenthalten. Deutsche Gamer müssen gleich komplett auf eine eigene Tonspur verzichten und sich stattdessen auf Untertitel beschränken. Auch die Platinum-typische "Over the top"-Gestaltung fehlt: Strotzen Spiele wie "Bayonetta" sonst nur so vor irrwitzigen, schrägen Details, bleibt "Astral Chain" fast schon enttäuschend "normal". Hier werden bekannte Anime- und Manga-Klischees zitiert, aber niemals so geschickt reflektiert und ins Extreme verzerrt, wie man es sonst von dem japanischen Ausnahme-Studio kennt.

Wem ein komplexes Kampfsystem wichtiger ist als eine faszinierende Spielwelt oder interessante Figuren, der könnte mit "Astral Chain" zwar glücklich werden, aber davon abgesehen darf er nicht viel erwarten.

 

Note: 6.5 (BEFRIEDIGEND)

 

 


WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend