KRITIK • PC, PS4, Xbox One • Mit "Wolfenstein" und "Doom" zählt Hersteller Bethesda zwei Shooter-Marken zu seinen Zugpferden, die Jugendschützern in der Vergangenheit immer
wieder Kopfzerbrechen bereitet haben. Obendrein sind beide ursprünglich von id Software erfundenen Reihen die Urahnen des gesamten Ego-Shooter-Genres.
Zuerst war "Castle Wolfenstein", dann kam "Doom", in dessen Schatten die fast 25 Jahre lang indizierte Nazi-Hatz in Vergessenheit geriet. Bis Bethesda und das schwedische Studio MachineGames der
angestaubten Marke im Jahr 2014 jenen modernen Biss verpassten, die sie für ein erfolgreiches Comeback brauchte: Seit "The New Order" ballert sich der stiernackige Frontmann William J. Blazkowicz
durch eine dystopische, alternative Realität, in denen die Nazis den Weltkrieg mithilfe von Stahlungetümen, Maschinen-Soldaten und Roboterhunden gewonnen haben.
Prächtig gelungen war das "Wolfenstein"-Revival nicht zuletzt deshalb, weil MachineGames und Bethesda einerseits die richtige Balance zwischen klugem Humor und drastisch überzogener Inszenierung
gefunden hat. Andererseits setzte die Serie konsequent auf den Singleplayer-Betrieb und stemmte sich damit hartnäckig gegen den zunehmend dominanten Mehrspieler-Trend. Entsprechend dankbar
stürzten sich Action-Solisten auf die beiden "Youngblood"-Vorgänger, die über weite Strecken eher einem Adventure als einer stumpfsinnigen Schießbude glichen.
Und jetzt?
Jetzt wirft Bethesda all das zugunsten eines kooperativen Zweispieler-Gameplays über Bord. Oder zumindest fast. Der Hersteller, der sich bis vor drei Jahren noch als Trutzburg der klassischen
Einzelspieler-Tugenden verkauft hat, ist zusehends damit beschäftigt, seine einst in der Singleplayer-Domäne verorteten Spielwelten dem Multiplayer-Trend zu öffnen. Das gibt dem Hersteller
einerseits die Chance, auf Basis von Ingame-Käufen und anderen Service-Modellen für ein regelmäßiges Einkommen zu sorgen. Doch andererseits birgt es das Risiko, es sich mit den alten Fans zu
verscherzen. Wie letztes Jahr bei "Fallout 76" geschehen, mit dem man die traditionsreiche Serie in die Welt der Online-Rollenspiele überführen wollte. Und das leider auf Kosten genau der vielen
kleinen Geschichten, die "Fallout" in der Vergangenheit so großartig gemacht haben.
In "Wolfenstein: Youngblood" geht man nun einen Zwischenweg. Den bisherigen Serien-Helden William B. versetzt man erzählerisch in den "Verschollen"-Modus, damit sich dessen Töchter Jessica und
Sophia in einem fiktiven Neu-Paris der 80er-Jahre auf die Suche nach ihrem Vater "Terror-Billy" begeben können. Dabei nieten sie nicht nur Heerscharen aus schwer gepanzerten Motor-Soldaten um,
sondern sammeln zudem fleißig Ressourcen ein, um ihre Ausrüstung zu verbessern.
Leider fühlt sich "Youngblood" dadurch oft mehr nach einem Loot-Shooter als nach einem klassischen "Wolfenstein" an. Vor allem das bei vielen Action-Traditionalisten verpönte "Grinding" spielt
eine wichtige Rolle - sprich: Bevor man spezielle Passagen im Spiel meistern kann, muss man erst genug Rohstoffe und Erfahrungspunkte sammeln, um die eigenen Figuren entsprechend zu verbessern.
Stellenweise abkürzen kann man dieses Procedere durch virtuelle Goldbarren, die sich in den Onlineshops wie dem Playstation oder Microsoft Store mit echtem Geld kaufen lassen.
Wer sich auf die neue Gangart des jüngsten "Wolfensteins" einlässt, bekommt allerdings reißerische Action kredenzt: Waffen-Handhabung und Bewegungs-Dynamik sind ideal auf das kooperative
Miteinander eingespielt, auch das Level-Layout hat man geschickt angepasst. Obendrein unterhält das Zwillingspärchen dabei mit einigen überdreht-jugendlichen Kalauern.
Theoretisch ist das explosive Shooter-Doppel auch für den Singleplayer-Modus geeignet: In diesem Fall wird eine von den Blazkowicz-Schwestern vom Computer gesteuert, wirklich Spaß macht Papas
Befreiung auf diese Art aber nur bedingt - dafür wurde zu viel von der Persönlichkeit über Bord geworfen, von der das Singleplayer-"Wolfenstein" früher gelebt hat.
Als Mehrspieler-Shootout ist die Natzi-Jagd zwar noch immer funktionell, aber leider nur noch ein Ballerfest von vielen. Auf diesem Terrain lässt sich die Serie auf einen offenen Kampf mit
Schwergewichten an, den sie auf Dauer unmöglich gewinnen kann. Besser, Entwickler MachineGame macht beim nächsten Mal wieder das, was er am besten kann: Action-geladene Geschichten für
Baller-Solisten erzählen.
Immerhin: "Youngblood" ist mit 30 bis 40 Euro bereits zum Start spürbar günstiger als die Vorgänger bei ihrer Markteinführung. Für besonderes Aufsehen sorgt neben der nach wie vor angepassten
deutschen Verkaufsversion eine internationale Fassung des Spiels - ohne deutsche Tonspur, dafür mit Hakenkreuzen und anderer Nazi-Symbolik, die erstmals offiziell in Deutschland verkauft werden
darf. Bei der Gewaltdarstellung sind beide Fassungen identisch und von der USK "ab 18 Jahren" eingestuft.
Note: 6.5 (BEFRIEDIGEND)
WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend