Postapokalyptischer Punk: "RAGE 2"

Grell und punkig statt trist und grau wie die meisten Endzeit-Schlachten: Bethesdas "Rage 2" für PC, PS4 und Xbox One.
Grell und punkig statt trist und grau wie die meisten Endzeit-Schlachten: Bethesdas "Rage 2" für PC, PS4 und Xbox One.

 

KRITIK • PS4, Xbox One, PC • Mit seiner Endzeit-Schießbude "Rage" wollte "Doom"-Erfinder id vor acht Jahren eine technische und kreative Marke setzen - aber gelungen ist das nur bedingt: Technische Probleme mit der damals noch neuen Game-Engine "id Tech 5" sorgten für jede Menge Bugs, außerdem war das häufig mit "Fallout" verglichene Szenario vielen Gamern zu klein und zu platt. Mit Teil 2 soll jetzt alles besser werden - und vor allem umfangreicher: Das neue "Rage" entstand bei Open-World-Spezialist Avalanche ("Just Cause") und lockt mit einer gigantischen Spielwelt, in der fast schon aberwitzige Mengen an Patronen-Hülsen auf den Textur-Boden prasseln und die Ereignisse zwar mit zünftigen Brutalitäten nicht geizen, aber selten ernst gemeint sind.

Dafür hat Avalanche das überschaubare Spiel-Terrain des Vorgängers in einen gigantischen Endzeit-Spielplatz verwandelt, der wahlweise zu Fuß und aus der Ego-Ansicht oder per Buggy und aus der Verfolger-Perspektive durchquert wird. Nur leider nutzt Avalanche die gewaltige Bewegungsfreiheit nicht, um viele interessante Geschichten zu erzählen oder einen faszinierenden Kosmos wie den aus der "Fallout"-Reihe abzubilden - stattdessen ist die "Rage 2"-Welt eine überraschend detailarme Kulisse, die für das meist geradlinige Abarbeiten von Kawumm-Missionen genutzt wird.

So prescht Ranger-Held Walker mit seinem hochgerüsteten Apokalypsen-Mobil von Festung zu Festung, um dort neue Fähigkeiten und kybernetische Injektionen abzuholen, die ihn zu einer noch zerstörerischen Ein-Mann-Armee machen. Sein Ziel: einen nahezu unsterblichen Cyber-Nazi aus dem Weg räumen, der mit einem Heer aus hoch-technisierten Monstrositäten die verwüstete Erde erobern will.

 



 

Auf dem Weg dorthin wird Walker mit so vielen und scheinbar wahllos über die Spielwelt verteilten, irren Mutanten-Punkern konfrontiert, dass er vor lauter Projektilbeschuss kaum noch den Himmel sieht. In diesen blitzschnellen Gefechten spielt "Rage 2" seine einzige echte Stärke aus, denn was der Shooter an erzählerischer Open-World-Kompetenz vermissen lässt, das macht er - zumindest halbwegs - durch seine ausgefeilte Baller-Mechanik wett.

Hier spürt man überdeutlich den Action-Einfluss vom ursprünglichen "Rage"- und "Doom"-Erfinder id, der dem schwedischen Studio für die rasanten Ballereien seine Genre-Kompetenz geliehen hat. Wenn Walker seine Widersacher mit wuchtigen Schlägen quer durch die Pampa prügelt, geschmeidig ihren Attacken ausweicht oder ihnen mit raffiniert platziert Schuss-Salven jedes Rüstungsteil einzeln vom Körper ballert, dann entwickelt "Rage 2" genau die Sorte Rumms, den man von einer "Mad Max"-ähnlichen Ballerei erwartet. Nur um kurz darauf rasant abzuflachen, sobald man das Schlachtfeld verlässt und wieder ins Vehikel steigt. Dann verkommt das Abenteuer einmal mehr zur zwar routinierten, aber auch spannungsarmen Ressourcen-Sammelei ohne großartige visuelle oder narrative Reize.

Wer viel langweilige Fahrerei und einige zünftige Splatter-Effekte zugunsten von effektvollen Feuergefechten in Kauf nimmt, der schwingt sich zumindest testweise ins Schrott-Vehikel, um die Postapokalypse zu retten. Möchte man aber vor allem eine detailliert ausgearbeitete Open-World erforschen und packende Geschichten erleben, ist man mit diesem Weltuntergang falsch beraten.

 

Note: 6.5 (BEFRIEDIGEND)

 

 



 

Persönliche Meinung (Robert Bannert):

 

Ich will "RAGE 2" nicht niedermachen, denn ich habe mich wahnsinnig auf dieses Spiel gefreut (ich gehörte zu denen, die den ersten Teil geliebt haben)… und entsprechend groß war zwar einerseits die Enttäuschung, aber andererseits auch der Wille, trotzdem noch etwas Gutes in diesem skurrilen Endzeit-Potpourri aus id- und Avalanche-Game zu finden. Als letzte jahr die Info kam, dass vor allem Avalanche am Entwicklungs-Drücker sitzt, waren meine Gefühle gemischt – denn ich bin nicht gerade ein Freund der Avalanche-Pilosophie.

 

Die Schweden gelten zwar als Open-World- und Sandbox-Experten… aber genau das können sie meiner Meinung nach überhaupt nicht: Ihre Welten sind keine Open-World-Szenarien im eigentlich Sinne – es sind einfach riesige Gebiete, in denen sich der Spieler zerstörerisch austoben kann, die man dann aber mit halbgarem Welten- bzw. Game-Design sowie bemüht zusammengeschusterten Stories eher beschädigt als verbessert. Avalanche kann Technik und KAWUMM – aber sie schaffen es einfach nicht, all das mit einem vernünftigen Spielkonzept zu paaren. Darum habe ich gehofft, dass id es schaffen würden, die Talente des Studios in die richtigen Bahnen zu lenken – sodass am Ende doch noch ein vernünftiges "RAGE 2" dabei rauskommt.

 

Das hat leider nur bedingt geklappt: "RAGE 2" macht mir zwar etwas mehr Spaß als z.B. "Just Cause 4", denn immerhin hat es – dank id – wenigstens eine funktionierende Action-Komponente. Nur leider findet die vor einer Kulisse und einem Spielkonzept statt, die an den typischen Avalanche-Problemen kranken. Da wird mit der hauseigenen Engine zunächst eine zwar große, aber auch ziemlich austauschbare Endzeit-Landschaft gebaut, danach verstreut man – scheinbar ziemlich willkürlich – Spiel-Elemente, Gegner und ein paar Gebäude darüber, ohne dass es einen erkennbaren Game-Design-Unterbau geben würde, der sie zusammenhält. Ja, zeitweise kann man damit trotzdem seinen Spaß haben, denn einige dieser Versatzstücke funktionieren – für sich betrachtet. Aber sie ergeben für mich einfach kein koheräntes Gesamtwerk. Und zuguter Letzt bemühen sich die Entwickler dann noch, ihr aus der Balance geratenes Werk zu legitimieren, indem sie es satirisch gestalten. Frei nach dem Motto: "Ist doch eh alles nicht so ernst gemeint – passt schon!" Aber auch das funktioniert nur bedingt – auch für gelungen pointierten und humorigen Trash braucht es ein stimmiges Konzept… und das fehlt.

 

Dass ich mich trotzdem immer noch ausführlich mit dem Spiel auseinandersetze, liegt einerseits an meiner Begeisterung für Open-World-Games, aber andererseits auch an meiner Sympathie für den Vorgänger und  Endzeit-Stoffe. Wer da ähnlich gepolt ist wie ich, der macht nichts falsch, wenn er "RAGE 2" all seiner Schwächen zum Trotz eine Chance gibt – spätestens dann, wenn es mal günstiger zu haben ist. Denn die punkige Baller-Kirmes hat ohne Frage ihre Qualitäten… nur stimmig ist sie leider nicht. Und von einem Hersteller-Entwickler-Duo, das großartige Marken wie "Fallout" oder "Doom" verwaltet, erwartet man eben ein Endzeit-Action-Epos, das mehr auf dem Kasten hat. Das darf dabei gerne humorig und trashig sein – aber es muss einfach stimmiger und besser sein.


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