KRITIK • PS4, Xbox One, PC
Seit einer knappen Woche kämpfe ich mich jetzt durch das postapokalyptische Washington. Haste dabei Verschlag zu Verschlag, um dem feindlichen Beschuss zu entgehen – und nehme aus der
Deckung heraus meckernde 'Hyänen' aufs Korn… Ubisofts neue Pauschal-Bezeichnung für alles, was die mühsam aufrechterhaltene Ordnung in den kaputten Staaten von Amerika mit Waffengewalt
zersetzen will und plündernd durch die allmählich von der Natur zurückeroberten Straßenzüge marodiert. In Ermangelung eines besseren Wortes für eine Fraktion, die ebensowenig einen erschöpfenden
erzählerischen Unterbau hat wie das übrige Spiel. Dabei passiere ich auf Schritt und Tritt US-amerikanischer Geschichte: Erlebe und begehe westlich-popkulterelle Mythologie im Kapitol, beim
Gefecht ums Weiße Haus, im Schatten des Lincoln Memorial oder neben der National Cathedral – das kleine Einmaleins einer Sightseeing-Tour durch die US-Hauptstadt, das von Entwickler Massive
Entertainment genauso pflichtbewusst abgehakt wird eine ordentliche Dosis Hurra- und Helden-Patriotismus
Habe ich die aktuelle Baller-Arena gesäubert und liegen alle Böslinge mit verdrehten Gliedmaßen auf dem Texturboden, um ungläubig Löcher in den 3D-Himmel zu starren, ziehe ich weiter. Beobachte
Rehe dabei, wie sie erschrocken über Barrikaden springen oder Waschbären, die sich über Nahrungsreste hermachen und dabei sogar Lieferwagen plündern. Gerne würde ich mich an der visuellen
Detailstufe dieser postapokalyptischen Szenerie erfreuen – ein Aroma von Chaos, Zerstörung und Hoffnungslosigkeit in mich aufnehmen. Also genau die Sorte postapokalyptischen
Stimmungs-Cocktail, den andere Spiele verströmen, in denen es um endzeitliche Adventure-, Rollenspiel- oder auch Action-orientierte Endzeit-Trips geht. Von erzählerisch und filmisch aufgezogenen
Werken wie Naughty Dogs "The Last of Us" über abstrakte, Retro-futuristische Abenteuer wie "Fallout 4" bis hin zu einer knallbunten Ego-Schießbude wie "Far Cry: New Dawn", die ihr "After the
Bomb"-Szenario an Einzelschicksalen festmacht, indem sie einen narrativen Bogen zum Vorgänger "Far Cry 5" spannt – bevor die Bomben aufs 'Hope County' und seine Umgebung gefallen sind.
Nur: Trotz all ihrer visuellen Details lässt mich Ubisofts von einem Grippe-Virus herbeigeführte Endzeit ziemlich kalt. Denn sie beschränkt sich auf die grafischen Details des Szenarios, ohne es
mit Geschichten zu füllen. Wer sich überwiegend an der Seite von bis zu drei Koop-Kumpels in die Deckungsgefechte stürzt und "Division 2" in erster Linie als eine Art Action-geladene
Geselligkeits-Maschine sehen will, der dürfte damit wenig bis gar keine Probleme haben. Sobald man allerdings die Multiplayer-Brille abnimmt, der Chat-Kanal stumm bleibt und an die Seite des
Headsets die Heimkino-Beschallung tritt, macht "The Division 2" eine ziemlich triste Figur. Im Grunde jammerschade, denn Massives Designer haben sichtlich Mühe investiert, um die sonst
unbarmherzig zwischen Multi- und Singleplayer klaffende Lücke zu schließen: Wer im Alleingang durch das verwüstete Washington D.C. wandert, der bekommt zum Beispiel spürbar weniger Gegner
serviert – darum eignet sich das zweite "Division" theoretisch auch als Einzelspieler-Erfahrung. Vorausgesetzt, man möchte sich auf eine zwar hübsch dekorierte, aber sonst auf pure Spielmechanik
reduzierte Schießbude einlassen. Die rechtfertigt ihre totale Persönlichkeits-Befreitheit mit dem aktuellen Schlagwort "Loot-Shooter", also "Beute-Ballerei" – ungefähr so, als würde ein
gelungenes Verhältnis von "Ra-ta-ta-ta-ta", "KAWUMM" und "Klingeling" den Entwickler von der Verantwortung entbinden, seiner Knallerei wenigstens ein Mindestmaß an Atmosphäre oder halbwegs
spannender Narration zu injizieren. An dieser Stelle schneidet sogar das so oft als steril und kalt deklarierte "Anthem" von Bioware besser ab: Das gibt sich zumindest anfangs Mühe, den Spieler
in seine Welt zu saugen – und obendrein verlockt es mit viel Bewegungsfreiheit zur Erkundung dieser Welt. Dass Bioware am Ende trotzdem scheitert, das ist dem Umstand geschuldet, dass
Spielwelt und Beweglichkeit nicht halten, was sie anfangs so vollmundig versprechen. Der zu Spielbeginn mühsam geknüpfte Stimmungs-Teppich löst sich zu schnell wieder in Nichts auf und lässt die
Spieler ratlos zurück.
An dieser Stelle gibt sich die neue Tom-Clancy-Ballerei ehrlicher: Hier wird von Anfang an unumwunden klar gemacht, worauf das Zielvisier deutet – und das ist der sich in seine Deckung kauernde
Feind. Um den zu erledigen, stellt man dem geselligen Actioner eine ganze Fülle treffsicher ins Game-Design integrierter Kawumm- und Taktik-Features zur Seite – von ausbaubaren
Basis-Stationen bis zum exzessiven Skill-Tree-Wildwuchs. Schön: Wer sich fleißig durch die zahlreichen Neben-Einsätze ackert und fleißig Kontrollpunkte Schurken-frei schießt, der kann der
angeschlossenen Operations-Basis dabei zusehen, wie sie immer mehr floriert. Dann wird aus einem Trübsal blasenden und von der Apokalypse gebeutelten Haufen Trauerklöße eine schlagfertige,
optimistische Mannschaft, die immer mehr Waren anbietet, ausgelassene Grill-Feste feiert und Spieler sogar mit vereinzelten Geschichten oder launiger Live-Musik bei Laune hält. Zumindest an
dieser Stelle erreicht "The Division 2" ein Mindestmaß an emotionaler Spieler-Szenario-Bindung, die einigermaßen für die vielen hochnotpeinlichen Zwischensequenzen und an Plattheit kaum
unterbietene Erzähl-Klischees entschädigt. Auch Shooter-technisch gibt man sich nur wenig Blößen: Der Deckungswechsel geht angenehm flüssig von der Hand, das Treffer-System ist tadellos und das
Angebot an verschiedenen, modifizierbaren Bleipusten bietet genau die richtige Kombination aus Effektivität und Diversität. Nur am nötigen "RUMMS" hat es uns hier gelegentlich gefehlt – viele
Schießprügel aus der "Division"-Werkstatt fühlen und hören sich an wie Kinderspielzeug.
Wem flüssiges Action-Miteinander also wichtiger ist als Immersion, der bekommt deshalb genau die richtige Gesamtpackung und hat dank vielschichtigem Endgame sowie Darkzones auch nach Abschluss der Kampagne reichlich zu tun. Wer dagegen zugunsten von gelungenen dramaturgischen Akzenten gerne auf zwanghafte Rudel-Ballerei verzichtet, der lässt diese Postapokalypse besser aus.
Note: 7.5 (GUT)
WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend
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