Egal wie tief die Helden aus "Devil May Cry 5" durch das Blut ihrer in spektakulären Martial-Arts-Orgien zersäbelten Feinde waten - niemals perlt auch nur ein Tropen Körperflüssigkeit von ihren
makellosen, durchtrainierten Visual-Kei-Körpern. Und natürlich hat man dabei immer einen kernigen Spruch auf den in spöttischem Dauergrinsen festgefrorenen Lippen. Oder fliegen die jederzeit
perfekt frisierten Helden in endlosen Zeitlupen-Sequenzen mit gezücktem Brotschneider so dicht an grotesken Glibber-Gestalten, insektoidem Schlachtvieh oder riesigen Zottel-Monstern vorbei, dass
sie sich eigentlich in ihnen verheddern müssten.
Eigentlich.
Denn wie gewohnt geht es auch dem neuen "Devil may cry" nicht darum, eine Medaille für Realismus, plastische Charaktere, eine virtuos geschriebene Geschichte oder einfallsreiches Game-Design zu
gewinnen. Nein - wenn Dämonenjäger Dante, Kollege Nero oder Neuzugang "V" höllisches Gezücht zersäbeln, piercen flambieren oder in Fetzen kloppen, dann geht es vor allem um gutes Aussehen und
perfekten Stil. Kurzum: "Devil may cry 5" ist ein Kampfspiel, wie der jüngst verblichene Karl Lagerfeld es geliebt hätte. Wo Open-World-Spiele wie ein "Assassin's Creed" im Interesse der
Bewegungsfreiheit am liebsten weit geschnittene Schlabberhosen auftragen, da zwängen sich Dante & Co. wieder in ihre engsten Jeans - ganz so, als wären sie seit ihren vorherigen Auftritten um
keinen Tag gealtert und hätten kein Gramm zugelegt. Immerhin hat Capcom extra dafür das Serien-Reboot "Devil may cry" von "Hellblade"-Entwickler Ninja Theory offiziell zur Persona non grata
erklärt und stattdessen wieder an die Hauptserie angeknüpft. Und das mit gleich so vielen Story-Referenzen, dass man vorher einen Blick ins angefügte Serien-Kompendium werfen sollte, um in dem
Wirrwarr aus infernalischen bis himmlischen Gestalten zumindest halbwegs durchzublicken.
Ein Blick, der sich lohnt, denn seit ihrem letzten Auftritt vor über zehn Jahren hat die Crew nichts verlernt: Während sich Frontmann Dante wie ein junger Teufel mit riesigen Schwertern und
gezückten Pistolen in die Lüfte schraubt, schleudert der inzwischen einarmige Nero seinen Feinden cybertronische Roboter-Klauen entgegen. Grufti-Magier V wiederum beschwört lieber Teufelsvögel,
dämonische Raubkatzen oder einen gigantischen Golem, damit die seine Feinde schön mürbe klopfen, bevor er ihnen mit seinem Spazierstock souverän den Gnadenstoß verpasst. Für die nötige
Abwechslung im Kampfsystem sorgt Neros Partnerin Nico: Die kutschiert das Team mit ihrem Bus von Einsatz zu Einsatz, lässt sich in den Levels per Telefon-Anruf herbeizitieren und bastelt in ihrer
mobilen Waffenkammer effektivere Prügel-Werkzeuge oder Fähigkeiten zusammen - vorausgesetzt natürlich, die Bezahlung stimmt. Ob man das stellenweise konfuse und über-komplexe Aufrüst-System
wirklich braucht, ist vor allem vom gewählten Schwierigkeitsgrad abhängig: Während sich Prügel-Profis auf niedrigeren Niveaus stressfrei durch zerstörte Straßenzüge oder die organischen Tunnel
eines dämonischen Baums vorarbeiten, sind höhere Schwierigkeitsgrade nur mit cleveren Upgrade- und Skill-Kombis in den Griff zu kriegen. Wer es gerne besonders einfach hat, der darf außerdem eine
Art Autopilot aktivieren: Das "Aufs Maul"-Navi des Spiels ruft sonst hochkomplexe Spezialmanöver automatisch ab, ohne dass sich der Spieler dafür die Finger verknoten müsste.
Doch so bemerkenswert all das im fortgeschrittenen Helden-Alter auch sein mag, so bringt die geradlinige und traditionsbewusste Polung des Teams auch Probleme mit sich: Anfang der 2000-er mag es
noch gereicht haben, sich stilvollendet durch geradlinig verlaufende Straßenzüge zu metzeln und anschließend turmhohen, aus allen Rohren feuernden Boss-Dämonen die Leviten zu lesen. Doch 2019
wirkt die schlauchartige Spielstruktur der Action-Orgie deplatziert und wünscht man sich zumindest hin und wieder anstelle der zwickenden Jeans die entspannende Schlabberhose, um ein paar Pfade
abseits des vorgeschriebenen Metzel-Wegs zu erkunden. Außerdem mangelt es den "Devil may cry 5"-Schauplätzen auf Dauer an der nötigen Abwechslung: Ewig gleichartige Hintergrundgrafiken, und zwar
hübsche, aber weitgehend dröge Schlauch-Levels sind einfach zu wenig, um über ein einmaliges Durchspielen der knapp zehnstündigen Kampagne hinaus zu motivieren. Auch die zahllosen
Zwischensequenzen sind an dieser Stelle eher kontraproduktiv: Wenn das Spiel alle paar Schritte von einem Filmchen unterbrochen wird, dann steigert das vielleicht seinen Schauwert, aber
Spielfluss kommt auf diese Weise schwerlich auf - zumal Capcoms Dämonenjäger manchmal unter einer krampfigen Kameraführung zu leiden haben.
Wer mit der geradlinigen Gangart der menschlichen Dreschflegel leben kann und zugunsten formvollendeter Klopperei gerne auf Bewegungsfreiheit verzichtet, der zwängt sich trotzdem noch einmal in
Capcoms enge Action-Jeans. Allerdings macht Action-Hexe "Bayonetta" gekonnt vor, wie man traditionsbewusste Kampfspiele trotz geradliniger Spielstruktur so abwechslungsreich gestalten kann, dass
sie auch im Open-World-Zeitalter noch perfekt unterhalten: Platinums Klopperella schafft es, sogar während eines Boss-Gefechts so oft die Perspektive, die Spiel-Ebene, das Szenario und die
vorherrschende Design-Prämisse zu ändern, dass einem der mangelnde Bewegungsspielraum gar nicht auffällt. Ein Kunststück, dass Capcom in "Devil may cry 5" leider nicht ganz geglückt ist. Schicker
Garderobe und guter Kampfform zum Trotz.
Note: 7.5 (GUT)
WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend
Kommentar schreiben