1998 revolutioniert Capcom mit dem zweiten "Resident Evil" das Horrorspiel – 20 Jahre später verpasst es den Untoten eine zumindest visuelle Frischzellenkur. Aber was ist dem
Gameplay? Sorgt die Rückkehr der lebenden Toten nach so langer Zeit noch für gepflegte Gänsehaut – oder ist "Resident Evil 2" nur noch… Gammelfleisch?
Sich wie ein humanoider Panzer um die eigene Achse drehen und dabei mit gezielten Kopfschüssen torkelndes, sabberndes Gammelfleisch entsorgen, während Munition und Heil-Sprays inmitten eines
wilden Wusts aus nutzlose Inventar-Besetzern die kritische Marke unterschreiten: Mit diesem Konzept hat Capcom vor 20 Jahren Horror-Fans weltweit begeistert – und jetzt wagt man einen
Neustart. Nicht etwa einen von der Sorte, bei dem man die Original-Grafik von anno dazumal auf HD-Maße aufbläst – wie vor drei Jahren beim Remaster vom Gamecube-"Resident Evil" geschehen,
bei dem Capcom selber die Original-Bilddateien der vorgerenderten Hintergrundgrafiken gefehlt haben. Nein, man konstruiert den spukigen Klassiker von Grund auf neu. Zumindest visuell. Mit
hochauflösenden Texturen, wunderbar plastischen Figuren und filmisch animierten Protagonisten ist der Horror-Trip durch Raccoon City endlich in der Grafikmoderne angekommen. Außerdem hat Capcom
einige Story-Stationen des Originals behutsam verändert oder ausgebaut, damit auch Serien-Profis etwas Neues zu sehen bekommen – aber das Gameplay des Klassikers hat man fast schon zu
sparsam bearbeitet.
Klarer Fall: Das neue "Resident Evil 2" ist nicht die von vielen gewünschte Neuerfindung des Grusel-Oldtimers, sondern ein reines Remake. 2018 bewegen sich Claire Redfield und Leon Kennedy
vielleicht nicht mehr ganz so behäbig wie 1998, aber die Kontroll-Mechanismen von damals sind ebenso intakt geblieben wie das sperrige Inventar-Handling oder die Rätsel-Logik, die uns nach wie
vor verschiedenförmige und -farbige Schlüsseln suchen lässt. Positiv: Anstelle von festgestellten Kamera-Blickwinkeln gibt es diesmal eine zeitgemäße und wesentlich bequemere "Über die
Schulter"-Perspektive. Einfacher wird der Kampf gegen zerfallende Zombies und Zungen-peitschende, reißzahnbewehrte Monstrositäten dadurch aber nicht: Wenn einer der stöhnenden und
zähnefletschenden Komposthaufen auf Euch zu wankt, ist Fersengeld oft die beste Taktik – denn bis die fauligen Fleischberge umkippen, schlucken sie oft ein komplettes Magazin. Selbst für den
unwahrscheinlichen Fall, dass jeder Schuss mitten in die entstellte Visage geht.
Und die Ressourcen? Die sind immer noch so knapp, dass Ihr Euch über jeden Fund freut, als wäre er ein Sechser im Lotto – gerade bei Munition und Heil-Gegenständen herrscht chronischer Mangel.
Ergo: "Resident Evil" zelebriert genau die Sorte "Survival-Horror", die es vor so langer Zeit erfunden hat – mitsamt der berüchtigten "Panzer-Steuerung", die es zwar dezent beschleunigt,
aber nicht wesentlich modernisiert. Wer es also auf einen kosmetisch verschönerten, aber sonst wunderbar altmodischen Trip in die Vergangenheit des interaktiven Horrors abgesehen hat, der darf
sich auf das für den 25. Januar (PC, PS4, Xbox One) angekündigte "Resi 2"-Remake freuen wie ein Zombie-Schnitzel. Wer sich von der Rückkehr der torkelnden Toten allerdings die Sorte
Modernisierung erhofft hat, die z.B. "Resident Evil 7" in ein hautnahes und deshalb besonders unheimliches Erlebnis verwandelt, der ist hier falsch.
Denn "Resident Evil 2" ist ein Splatter-Abenteuer, das Euch souverän aufzeigt, warum Horror-Spiele früher so viel Spaß gemacht haben und das dabei obendrein kräftig aufs Grafik-Gaspedal drückt.
Doch gleichzeitig frustriert es uns mit jeder Menge altbackenem Design-Ballast und massig Sudden-Death-Situationen. Lässt uns beim falschen Button-Kommando zwischen den Kiefern eines gigantischen
"Kanaligators" oder als verbrutzeltes Hack-Steak in einem übergroßen Krematorium enden. Allesamt Momente, die sich heute eher nach Design-Schnitzer als nach beabsichtigter Stellschraube für den
Schwierigkeitsgrad oder die allgemeine Erlebnis-Intensität anfühlen. Ebenso wie das konsequent auf Retro-Feeling gebürstete Handling, das nur noch deshalb zum moderneren Look des Spiels passt,
weil Capcom statt fotorealistischer Optik stilvolle Arcade-Grafik zelebriert. Wie in "Code Veronica". Wirklich gruselig ist das zwar nicht – aber dafür eben ganz wunderbar altmodisch. Auf
eine angenehm ansehnliche Weise.
Und wer auch bei dieser Retro-Referenz lauthals "YEY!!!" schreit, während er in einer Hand das Auge hält, dass ihm gerade aus dem Kopf gefallen ist, der ist hier definitiv richtig aufgehoben.
Unser Empfehlung an die "Code WAAAAAS?"-Sager dagegen: Geht bitter weiter, hier gibt es nichts zu sehen – und vor allem nichts zu spielen, was Euch interessieren könnte.