Kreativer Vernichtungs-Modus und explosiver Gute-Laune-Motor oder stumpfsinniger Nervtöter, der seinen Zenit längst überschritten hat? elektrospieler Robert über sein schwieriges Verhältnis zu "Just Cause 4".
Prinzipiell bin ich ein Freund von Open-World-Sandkästen, in denen ich hemmungslos mit den Versatzstücken des spielerischen Regelwerks experimentieren und rum albern darf – genauso schätze ich
eine ordentliche Überdosis "KAWUMM!!!!" und Over-the-Top-B-Movies. Warum zündet die "Just Cause"-Serie bei mir trotzdem nicht?
Seit Serien-Beginn habe ich immer wieder das Gefühl, als würde Avalanche durch die Überzüchtung all dieser Faktoren vor allem darüber hinwegtäuschen wollen, dass man selber zwar den Faktor
Technologie beherrscht, aber in den Disziplinen "Game-Design" und "Game-Balance" nicht sonderlich viel auf dem Kasten hat. Also überlässt man beides dem Gamer. Die diebische Freude über kreatives
"BOOOOOOOM!" soll dafür sorgen, dass wir uns über die eigentlich vollkommen außer Rand und Band geratenen Spielmechanismen keine großen Gedanken machen. Dabei unbeabsichtigt entstehendes Chaos
wird als gelebtes Chaos verkauft. Und die Kreativität des Gamers als die Funktionalität des eigenen Konzepts. Und passenderweise gießt man das Ganze dann noch in ein trashiges B-Movie-Konzept. Im
Grunde kein Problem, denn solange man damit eine Menge Spaß haben kann… naja… warum eigentlich nicht? Viele Spiele leben inzwischen davon, dass man dem Spieler Tools zur Hand gibt und
ihn dann… "einfach mal machen lässt".
Darum habe ich auch bei Teil 3 noch ein Auge zugedrückt, obwohl ich den im Grunde schon ziemlich langweilig fand – das Konzept hatte sich für mich gefühlt überlebt und wurde durch zwanghaft
rein geflickte neue Features quasi defibrilliert. Bei "Just Cause 4" ist's jetzt – zumindest für mich – gnug: Hier bekomme ich im Dauerfeuer-Verfahren so viele neue, für mich teils
diskussionswürdige Zerstörungs-Features (Wer zur Hölle hat sich das Modding-Menü für den Greifhaken ausgedacht???) um die Ohren gehauen, dass es mir einfach keinen Spaß mehr macht und ich
obendrein auch überhaupt keine Zeit mehr habe, mich in die Basis-Mechanismen reinzuspielen. Nein, ich habe nicht bis vor zwei Wochen pausenlos "Just Cause 3" gespielt und ich habe auch keine
Lust, noch mal Teil 3 zu zocken, um Teil 4 zu erlernen.
Mein Gefühl dabei: Avalanche hat seinen Baukasten inzwischen so komplex gemacht, dass er über sein ursprüngliches Konzept hinaus gewuchert ist. Er ist so kompliziert geworden, dass er genau die
Sorte Spielbalance braucht, die man ursprünglich umgehen wollte. Das Ergebnis ist ein Chaos, das zumindest mir keinen Spaß mehr macht. Klar: Wer die Serie so sehr schätzt, dass er sich immer noch
geduldig und liebevoll reinfummelt, der kann natürlich auch mit "Just Cause 4" seinen Spaß haben. Wenn es der Serie langfristig reicht, nur noch ihre hartnäckgiste Fan-Basis zu bedienen
– dann ist das natürlich ein Konzept. Vielleicht war ich ja einfach von Anfang an nicht "Fan" genug?