Für ihr bisher härtestes Abenteuer am Rande des Weltuntergangs wagt sich Lady Lara in die gefährlichen Dschungel von Süd- und Latein-Amerika. Neben der Erkundung alter Indianer-Festungen
stehen dabei wieder jede Menge Gefechte mit den aggressiven Handlangern der "Trinity"-Sekte auf der Action-Agenda. Anders als die beiden Vorgänger wird "Shadow of the Tomb Raider" aber nicht von
Crystal Dynamics entwickelt, stattdessen war diesmal "Deus Ex"-Macher Eidos Montreal am Ruder.
2013 hat der kalifornische Entwickler Crystal Dynamics der berühmten Action-Archäologin einen neuen Anstrich verpasst und aus der einst drallen Plastik-Barbie einen echten Menschen gemacht. Fünf
Jahre später darf die neue Lara ihr drittes und aller Voraussicht nach letztes Abenteuer erleben: Der Endkampf gegen "Trinity" steht an, nebenbei darf Lady Croft noch die Apokalypse verhindern.
Dabei hat Lara den drohenden Untergang selber heraufbeschworen: Um der Sekte eins auszuwischen, hat die Abenteurerin aus einem Tempel einen kostbaren Maya-Dolch stibitzt. In Kombination mit dem
richtigen Gegenstück gibt das frühgeschichtliche Käsemesser seinem Besitzer die Macht, die Welt neu zu erschaffen - doch für sich alleine bringt der Dolch die Erde aus dem Gleichgewicht. Also
machen sich Lara und Kumpel Jonah auf den Weg nach Peru, um das Artefakt-Duo zu komplettieren, bevor Trinity es tut.
Ungewöhnlich: Anders als die beiden Vorgänger wurde das Wettrennen gegen die Apokalypse von "Thief"- und "Deus Ex"-Macher Eidos Montreal inszeniert, während der sonstige "Tomb Raider"-Lieferant
Crystal Dynamics an einem Marvel-Spiel um die "Avengers" bastelt. Wenig verwunderlich also, dass sich "Shadow of the Tomb Raider" etwas anders anfühlt, als man es von der neuen Lara gewöhnt ist:
Eidos Montreal rückt mit der Kamera etwas näher an die Heldin heran, außerdem reduziert man den oft kritisierten Action-Anteil der letzten Lara-Abenteuer. Stattdessen lässt man die junge Britin
vermehrt aus dem Verborgenen attackieren und vergrößert ihr Repertoire für heimlich ausgeführte Manöver: So kann Lara ihre Feinde jetzt von Bäumen aus angreifen und dabei buchstäblich aufknüpfen
- oder sie tarnt sich mithilfe von Schlamm und verschmilzt anschließend mit den Farngewächsen an einer Felswand.
Wirklich finster ist das neue "Tomb Raider" deshalb aber nicht: Anders als es der Titel "Shadow" vermuten lässt, sind Lara und Jonah im gewohnten Plauderton unterwegs, eine bedrohliche Stimmung
entfaltet das Abenteuer trotz des nahenden Untergangs und einiger handfester Naturkatastrophen nur selten. Und das, obwohl man die arme Lara mit vielen Situationen konfrontiert, in denen ein
falscher Schritt zum sofortigen Tode und Abschnitts-Reset führt: Bedrohungen wie Speerfallen oder gefräßige Piranha-Schwärme gewähren der Heldin ebenso wenig eine zweite Chance wie rotierende
Klingenstangen und münden häufig in unnötig brutale Todes-Sequenzen. Ganz ähnlich verhält es sich, wenn die Heldin bei einem Schleichgang ihre Deckung aufgibt: Dann wird Lara in einer kurzen,
blutigen Sequenz von Schuss-Salven ausgeschaltet, die sie während einer regulären Kampfsequenz eigentlich locker weggesteckt hätte. Ganz logisch ist das nicht - aber auf alle Fälle tödlich.
Atmosphärisch dagegen wird "Shadow of the Tomb Raider" seinem Titel am ehesten dann gerecht, wenn Lara riesige, unterirdische Tempelanlagen oder eines der vielen Bonus-Gräber erforscht: Hier
beschwören stimmungsvolles Licht- und Schattenspiel tatsächlich einen Hauch von Untergangsstimmung herauf. Überhaupt spielen sich die imposantesten Momente des Abenteuers unter der Erde ab: Lara
klettert, balanciert und springt in Bestform. Neuerdings darf sich die gelenkige Forscherin sogar mit einem Seil herunterlassen, um dann zu Felskanten oder Simsen zu schwingen. Außerdem geht Lara
diesmal besonders spektakulär auf Tauchstation: Hier wird auch unterhalb der Wasseroberfläche geforscht - bis die Luft alle ist oder Lara von einer zornigen Muräne erdrosselt wird.
Eine gute Nachricht für Freunde gepflegter Kopfnüsse: Die "Shadow"-Rätsel sind zwar anspruchsvoll, lassen sich aber über eine fein aufgeschlüsselte Schwierigkeits-Einstellung spürbar entschärfen.
Dann gibt Lara dem Spieler deutliche Lösungshinweise, zusätzlich weisen verschiedenfarbige Markierungen auf die unterschiedlichen Knobel-Mechanismen hin. Wer dagegen gerne grübelt und klettert,
es dafür aber nicht so mit Kämpfen und Schleichereien hat, der kann den Schwierigkeitsgrad ebenfalls entsprechend regulieren.
Abseits der imposanten Tempelanlagen, Grübel-Einlagen und filmreifen Unterwasser-Welten ist die "Shadow"-Lara allerdings nicht immer auf der Höhe: Die Dschungel Perus bestehen überwiegend aus
geradlinigen Level-Schläuchen, die den Entdecker-Drang von "Tomb Raider"-Profis deutlich unterfordern. Lediglich die Umgebung einer riesigen Maya-Stadt gewährt Lara genau die Bewegungsfreiheit,
die man von "Tomb Raider"-Spielen eigentlich gewöhnt ist. Wer sich allerdings mit dieser Einschränkung arrangieren und außerdem einen dezenten inszenatorischen Abfall gegenüber "Rise of the Tomb
Raider" verschmerzen kann, der bekommt einmal mehr einen packenden Abenteuerfilm zum Mitspielen serviert. Zukünftige Lara-Titel dürfen allerdings gerne wieder mutiger ausfallen und sollten sich
vor allem deutlich öffnen.
Note: 8.5 (SEHR GUT)
WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend