Zu Lande, zu Wasser und in der Luft: In der offenen Spielwelt von Ubisofts "The Crew 2" dürfen Rennsport-Fans in jedem Element Gas geben. Aber geht die Vielfalt zulasten des fahrerischen Kompetenz?
Mächtige Straßenkreuzer, Offroad-Vehikel, Schnellboote, Flugzeuge, Motorräder, Monster-Trucks - und sie alle preschen durch ein riesige, offene Racing-Spielwelt: Mit "The Crew 2"
verabschiedet sich Ubisoft von der fürs Rennsport-Milieu verbogenen Undercover- und Crime-Story des Vorgängers. Stattdessen wird ein puristisches Bleifuß-Abenteuer nach "Forza
Horizon"-Steilvorlage präsentiert. Aber kann das mit der Microsoft-Vorlage gleichziehen - oder geht ihm schon auf halber Strecke der Sprit aus?
Denn wenn es etwas gibt, bei dem der "Assassin's Creed"- und "FarCry"-Hersteller Erfahrung hat, dann ist es der Bau gigantischer Open-World-Szenarien. Umso verblüffender, dass man bei "The Crew
2" ausgerechnet in dieser Disziplin empfindlich patzt. Nachvollziehbar wäre es gewesen, hätte Ubisoft die mangelnde Erfahrung im Rennspiel-Bereich durch die Konstruktion einer fantastischen
Spielwelt kompensiert - aber stattdessen wird umgekehrt ein Bleifuß draus: Tatsächlich gibt man sich im Rennsport-Bereich erstaunlich routiniert. Der Arcade-lastigen Steuerung der Raserei mangelt
es zwar nach wie vor an der Sorte Präzision und Stabilität, die man von Racing-Größen wie "Forza" oder "Gran Turismo" gewöhnt ist, aber Spaß hat man mit den mächtigen Straßen-Kutschen und ihren
wässrigen bis luftigen Kollegen allemal. Tadellose Drift-Technik gepaart mit solider Kurvenlage und ordentlichem Geschwindigkeitsgefühl ergeben in Summe einige spannende Rennen - vorausgesetzt,
man hält sich an die Story-Events. Und ignoriert den Gummiband-Effekt der KI-Gegner, die - einmal abgehängt - plötzlich auf magische Weise wieder neben dem eigenen Vehikel erscheinen.
Soweit also alles in Ordnung im Rennsport-Wunderland - hätte man nicht den großen Pluspunkt des Vorgängers darüber vernachlässigt: War die offene Spielwelt des ersten Teils noch ein wesentlicher
Bestandteil des gesamten Spiel-Erlebnisses, ist sie hier nur noch eine in Schönheit erstarrte, leblose Kulisse ohne nennenswerten spielerischen Mehrwert. Mit Nachbauten fast aller nennenswerten
US-Metropolen und -Sehenswürdigkeiten bietet auch das neue "Crew" reichlich Umfang, aber einen nennenswerten Sightseeing-Faktor haben die Reise-Stationen trotzdem nicht.
Schade außerdem, dass Ubisoft das bequeme Navigationssystem des Vorgängers vollständig entsorgt hat, stattdessen helfen nur noch Minimap und Marker bei der Orientierung. Zum Glück bleiben einem
übermäßig lange Fahrten durch die Pampa erspart: Hat man ein neues Racing-Event erstmal freigschaltet, kann man sich jederzeit per Schnellreise-Funktion hin beamen lassen und sich auf das
konzentrieren, was "The Crew 2" am besten kann: Rennsport. Gerade die größeren Austragungen geben sich spektakulär, werden dank Film-Einspielungen sowie dem fliegenden Wechsel zwischen Boden-,
Wasser- und Luft-Vehikeln zu oft filmreifen Erlebnissen.
Immerhin wollen die Fans, die weltweit über die sozialen Medien zugeschaltet sind, bei Laune gehalten werden: Starke Renn-Platzierungen, waghalsige Stunts und schicke Schnappschüsse der
Renn-Action lassen die Zahl der Online-Follower nach oben schnellen - die wichtigste Währung im Spiel. Sie entscheidet darüber, wie erfolgreich ein Rennfahrer ist, an welchen weiteren
Austragungen er teilnehmen darf und wie kräftig die Kasse klingelt.
Wer sich aber weder daran noch an der enttäuschend umgesetzten Open World stört, der bekommt mit "The Crew 2" immerhin ein kompetentes und vor allem umfangreich Racing-Spektakel: 14 verschiedene
Fahrdisziplinen und 114 reguläre Veranstaltungen halten auch ohne Open-World lange bei Laune. Einen fehlenden Online-Modus will Entwickler Ivory Tower bald per Update nachreichen. Vielleicht
sorgt man dann ja auch dafür, dass sich die unterschiedlichen Witterungsverhältnisse endlich spürbar auf die Fahrphysik auswirken und reicht bei dieser Gelegenheit noch die dringend nötige
Zurückspul-Funktion nach.
NOTE: 6.5 (befriedigend)
WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend