Durch die schlammigen Schlachtfelder des Zweiten Weltkriegs robben, hinter zerbombten Häuser-Fassaden in Deckung gehen und mit archaischen Bleipusten auf Soldaten der deutschen Wehrmacht zielen:
Das wird jetzt für "Call of Duty"-Soldaten nach über zehn Jahren in Gegenwart und Zukunft endlich wieder Action-Alltag. Denn: Die durch "Modern Warfare" und "Black Ops" eingeläutete
Modernisierung der Shooter-Marke wird mit "WW 2" erstmal gestoppt. Stattdessen dreht Activision die Uhr zurück und präsentiert eine Art martialisches Buddy-Movie, das die bekanntesten
Weltkriegs-Motive der Serien-eigenen Geschichte wieder aufleben lässt - von Normandie bis Rhein.
Erzählt wird die Geschichte vom braven US-Soldaten Ronald "Red" Daniels, der genau die richtige Menge Gutmenschen-Gen mit ins Spiel bringt, um das Ego-Massaker behutsam moralisch aufzuladen.
Ebenfalls mit von der Partie sind sein jüdisch-stämmiger Waffenbruder Robert Zussmann, der Klischee-strenge Tech-Sergeant William Pierson, der vergleichsweise zahme Zugführer Lieutenant Joseph
Turner und natürlich ein bebrillter Geschichts-Nerd, der um keinen historischen Querverweis verlegen ist. Anfangs will man es den "Krautfressern" noch so richtig zeigen, aber nach der Landung am
"Omaha Beach" muss man feststellen, dass Krieg gar nicht mal so toll ist. Besonders dann nicht, wenn im MG-Kreuzfeuer fast 10.000 Landsleute und Verbündete ihr Leben lassen.
Auch danach bemüht sich das neue "Call of Duty" immer wieder um eine zumindest kritische Note und räumt ein, dass nicht alle Deutschen bösartige Killermaschinen sind. Später lässt man den Spieler
sogar kurzzeitig in die Schuhe einer französischen Untergrund-Kämpferin schlüpfen: Bei der Infiltration der deutschen Zentrale im besetzten Paris weichen Kimme und Korn ausnahmsweise Dialog-Menüs
sowie raffinierter Spionage. Einige Einsätze später verblüfft Entwickler Sledgehammer mit einer Rettungsmission: Frontmann Daniels schleicht durch einen Keller, während mit Scheinwerfern
bewaffnete Nazi-Soldaten nach ihm und dem kleinen Mädchen suchen, dass er anstelle einer MG im Arm hält. Momente wie diese sind es, die "WW2" über das Niveau einer stumpfen Nazi-Schießbude und in
den Rang eines filmisch aufgezogenen Spektakels erheben. Serien-Kritiker mögen dabei beklagen, dass sich auch das neue "COD" auf schlauchartig angelegte und geradlinige Level-Kost beschränkt.
Ähnlich viel Angriffsfläche bietet die technische Fassade des Spiels, die zwar liebevoll ausgearbeitete Grafik-Details aufbietet, aber wieder mal auf das altbekannte Engine-Gerüst setzt. Trotzdem
gibt man sich inszenatorisch nur wenige Blößen: Verblüffend lebensechte Gesichtsanimationen, wunderbar dreckige Schlachtfelder und Zerstörungs-Eskapismus nach Traumfabrik-Formel machen auch das
jüngste "COD" zu einem Hingucker. Zumal es als Gratis-Dreingabe einmal mehr einen extra Zombie-Modus gibt: Untote Nazis erledigen - das ist ein Szenario mit Kult-Potenzial.
Im Multiplayer-Modus büßt "COD" durch die Abkehr vom Science-Fiction-Genre an Bewegungsfreiheit und taktischen Möglichkeiten ein - allerdings geben sich die Entwickler alle Mühe, das Defizit
auszugleichen: Allen neuen Features voran der "Kriegs-Modus", der mit seinem Mission-basierten Game-Design und weitläufigen Schlachtfeldern dezent an die "Battlefield"-Reihe von Electronic Arts
erinnert. Als besondere Dreingabe hat man mit dem "Hauptquartier" zum ersten Mal eine begehbare Multiplayer-Lobby eingerichtet, in der Spieler miteinander kommunizieren und sogar virtuelle
Arcade-Maschinen bespielen können, um lästige Matchmaking-Ladezeiten zu überbrücken.
Wer mit dem vergleichsweise eingeschränkten Bewegungsspielraum leben und historische Ungenauigkeiten verzeihen kann, der freut sich über das beste "Call of Duty" seit Jahren. Deutliche
Entschleunigung und die gezielte Reduktion auf Kern-Mechanismen des Shooter-Genres fühlen sich für die überfrachtete Serie wie ein Befreiungsschlag an. Und der kommt keine Episode zu früh.
Erfreulich außerdem, dass "COD" das heikle Weltkriegs-Thema halbwegs respektvoll angeht: Immer wieder nachdenklich - aber nie so ernst, dass es den Entertainment-Zug zum Entgleisen bringen würde.