Genre-Crossover à la Ruhrpott: "ELEX" im Test

 

Ein bisschen "Elder Scrolls", eine Prise "Fallout" und ein Hauch von "Mass Effect": Für sein neues Mammut-Rollenspiel vereint der Essener Genre-Profi Piranha Bytes gleich drei fantastische Erzähl-Arten in einem einzigen Abenteuer - Fantasy, staubige Postapokalypse und sterile Science-Fiction-Mär. Die geheime Zutat für dieses Kunststück ist eine Substanz, der das RPG obendrein seinen Namen verdankt: "Elex". Das geheimnisvolle Element ist Dreh- und Angelpunkt der Erzählung und Ausgangspunkt für eines der härtesten, aber zugleich packendsten Rollenspiele der letzten Jahre.

Vor rund 200 Jahren war für die Zivilisationen auf dem Planeten Magalan erstmal Schluss. Großstädte und Kultur der blühenden Welt wurden durch einem Meteoriten-Einschlag von der Oberfläche gefegt - übrig blieben Ruinen, wenige Überlebende und ein neues Element: Elex. Heute ist die aus der geheimnisvollen Substanz gewonnene Energie der Motor neuer kultureller Bewegungen und zivilisatorischer Experimente - aber ihre Knappheit ist auch der Grund für die Entstehung neuer Grenzlinien und immer stärker eskalierender, bewaffneter Konflikte. Die hoch technisierten Kleriker nutzen Elex, um ihre futuristische Kampf-Maschinerie und intelligente Roboter zu betreiben, die "Berserker" lassen mit seiner Hilfe auf ihren Ländereien neuen Bäume und Wiesen wachsen. In den Wüsten wiederum leben die an "Fallout"-Banditen erinnernden "Outlaws" - und im hohen Norden haben sich die unterkühlten "Albs" in einem eisigen High-Tech-Palast verschanzt, um von dort aus die Eroberung der Welt zu planen.


Alb, Berserker, Kleriker, Outlaw: die Fraktionen im Überblick


 

Zunächst zwischen den Fraktionen gefangen ist der Spieler-Avatar "Jax": Der gehörte früher zu den wenig beliebten Albs - doch mittlerweile ist ehemalige Mordbube auf der Flucht und auf der Suche nach einer anderen Fraktion, der er sich anschließen kann. Für den in Essen ansässigen Entwickler Piranha Bytes ist diese Ausgangssituation typisch: Seitdem sich das deutsche Studio Anfang der 2000er-Jahre mit den ersten beiden "Gothic"-Abenteuern zwei zeitlose Denkmäler gesetzt hat, hält man sich bei jedem neuen Rollenspiel geradezu sklavisch an das etablierte Erfolgsrezept. Ob "Gothic", "Risen" oder jetzt "Elex": Die Geschichte dreht sich stets um einen aus seiner Gemeinschaft verstoßenen Helden, der in der offenen und zutiefst bedrohlichen Spielwelt nach Anschluss sucht. Darum erledigt er für die verschiedenen Fraktionen erstmal eine Menge teils skurriler Missionen und Botengänge - denn wirklich in Gang kommt das Abenteuer erst, wenn man sich einer der Gemeinschaften anschließen darf. Bis dahin ist das typische Piranha-Bytes-Rollenspiel so schwierig und widerborstig, dass man schier verzweifeln möchte.



 

Aber Fans der Essener Spieleschmiede wissen, was sie an ihrem Lieblings-Entwickler haben: Darunter packend geschriebene Konflikte zwischen den verschiedenen Fraktionen und riesige Spiel-Areale, die Quadratmeter für Quadratmeter mit spannenden Aktionen gefüllt sind. Durch die Hinwendung zur einen oder anderen Gemeinschaft beeinflusst der Spieler schließlich die Geschicke der Spielwelt maßgeblich und nicht selten dominiert bei den daraus erwachsenen Streitereien ein harter und "schnodderiger" Umgangston - wie im Ruhrpott, in dem das Studio und seine rund 30 Mitarbeiter zu Hause sind. Für "Elex" treibt Piranha Bytes diese Formel auf die Spitze: Held Jax bereist entweder zu Fuß, per Schnellreise-Teleporter oder mit Hilfe seines Raketen-Rucksacks einen Kosmos, bei dem jeder Schritt und jeder Axt-Hieb der letzte sein können. Jax ist zunächst schwach, die Monster sind stark und die Jagd nach Erfahrungspunkten vor allem während der ersten Spielstunden geradezu absurd mühselig. Doch wer lange genug am Ball bleibt, um den Rhythmus des Spiels und seiner zunächst zickigen Action-Kämpfe zu erlernen, der kommt von Magalan und seinem ungewöhnlichen Genre-Cocktail so schnell nicht mehr los: Bei dem bleibt kein Terror-Vogel ungeköpft, kein Troll-Mutant ungesprengt, kein Monster-Schnitzel ungeröstet und kein noch so widerspenstiger Charakter unbequatscht.

Die für Piranha-Bytes-Spiele ebenfalls typischen visuellen und technischen Unzulänglichkeiten wirken zunächst abschreckend, aber später nimmt man sie schulterzuckend in Kauf: Eine oft klobige Landschafts-Architektur, gerade bei den Konsolen-Versionen regelmäßige Ruckel-Krämpfe und Marionetten-hafte Animationen sind etwas, an dem das Studio dringend arbeiten sollte - aber sie verblassen im Angesicht einer packend geschriebenen und immersiven Welt. Einer Welt, die nicht wie bei der Blockbuster-Konkurrenz von unzähligen-Features, Extras und Zusatz-Mechanismen erstickt wird. "Elex" hat etwas, das vielen seiner heutigen AAA-Kollegen abgeht: Ein großes Herz, das für unverfälschte Spielfreude und das ganz große Abenteuer schlägt.