"Dishonored" macht Schluss: "Der Tod des Outsiders" im Test


 

Nach zwei Hauptspielen und drei Erweiterungen für den ersten Teil macht Bethesda Schluss mit "Dishonored" – und zwar buchstäblich: Die mystische Gestalt des "Outsiders", der im parallel zu unserer Welt gelagerten "Nichts" seine finsteren Ränke schmiedet, soll dran glauben – und die bereits aus dem Add-On "The Knife of Dunwall" bekannte Billy Lurk den gefährlichen Job erledigen. Weil sich der Einfluss des geheimnisvollen Gottes, der einst selber ein Mensch war, wie ein roter Faden durch alle Spiele zieht und er den Antihelden der Serie ihre übernatürlichen Fähigkeiten überhaupt erst verliehen hat, ist die Reihe mit dem Ende der sinistren Figur zwangsläufig zur Implosion verdammt – zumindest so lange, bis Entwickler Arkane eine probate Gegenthese aus dem interdimensionalen Alu-Hut zaubert.

 

Aber bis dahin hat Billie Lurk alias Meagan Foster ("Dishonored 2") den schwierigen Job, die Geschichte um meuchelnde Hexer und intrigante Entitäten zu einem befriedigenden Ende zu bringen: Hierfür wird zunächst mal Ex-Mentor Daud aus einem Kerker in Karnaca befreit – und nachdem der gealterte Meister-Assassine die ehemalige Schülerin in seine "göttlichen Mordpläne" eingeweiht hat, darf wieder nach Herzenslust geschlichen, gemordert und gezaubert werden. Paradox: Ebenso wie Daud verdankt auch Billie ihre Kräfte der Macht des Outsiders – und das, obwohl sie ihre Fähigkeiten dafür einsetzen will, dem in einer Parallewelt residierenden Superwesen den Garaus zu machen. Allerdings entstehen diese Fähigkeiten nicht direkt im Körper oder Geist der Meuchelmörderin – stattdessen stammen sie aus magischen Artefakten: Zu Beginn bekommen wir vom Outsider höchstpersönlich den künstlichen Arm und das magische Auge verpasst, das wir bereits von "Dishonored 2" und Billies Auftritt als Kapitänin der "Dreadful Wale" kennen. Mit Hilfe dieser Gegenstände kanalisiert sie die Energien des Nichts und wandelt sie in Skills um, die denen von Corvo und Emily nicht unähnlich sind: Mit dem für die "Dishonored"-Spiele obligatorischen Teleport springt die Heldin auf hoch gelegene Klippen und Balkone oder beamt über Abgründe – außerdem lässt sich die Fähigkeit mit Billies Talent koppeln, den eigenen Körper zu verlassen und (so lange der Vorrat an Mana-Energie reicht)  die Umgebung als Geist zu erforschen. Aus der "Astral-Perspektive" kann sie wie ihre anderen Serien-Kollegen interessante Objekte auf einen Blick erkennen und für ihre Rückkehr auf die materielle Ebene markieren – das Gleiche gilt für Wächter oder Zivilisten, die sich auf diese Weise auch durch Wände hindurch beobachten lassen. Noch praktischer ist allerdings die Festlegung eines "Sprung-Punkts" für den Teleport – obwohl Billie auch auf diese Weise keine festen Hindernisse wie Türen, Gitter oder Mauern durchqueren darf.

 



 

Für experimentierfreudige Spieler besonders interessant (und für eine Mission sogar unabdinglich) ist die Möglichkeit, kurzzeitig in die Gestalt anderer Personen zu schlüpfen: Wer derart untertauchen will, der schnappt sich z.B. einen Zivilisten oder Wächter, um anschließend unerkannt dessen angestammtes Territorium zu erkunden. Allerdings muss der seiner Identität Beraubte dafür noch leben – Tote können in "Tod des Outsiders" keine Gesichter "verleihen".

Damit hat sich Billies überschaubares Fähigkeiten-Set auch schon erschöpft – ansonsten ist der weibliche Assassine auf den Einsatz einer rasiermesserschafen Klinge oder einer am linken Handgelenk montierten Pfeilschleuder beschränkt. Schade: Anders als in den Hauptspielen können weder neue Talente erlernt noch die bestehenden Skills gesteigert werden. Wer sich verbessern möchte, der muss sich stattdessen auf Knochenartefakte verlassen. Wie gewohnt können die mit magischen Symbolen gravierten Walknochen und ihre Auswirkungen auf den Spielstil gerade auf höheren Schwierigkeitsgraden einen echten Unterschied machen.

 

Etwas verzeihlicher geworden ist der Umgang mit den magischen Energien  der Heldin: Die blaue Leiste, mit denen wir die Reserven des "Nichts" anzapfen, regeneriert sich rasch von selbst – entsprechend flexibler fällt unser Spielstil aus, weil wir weniger auf unseren Mana-Konsum achten müssen. Überhaupt fordert uns Arkane in "Der Tod des Outsiders" noch intensiver zum Experimentieren auf wie bisher: Das ursprünglich als große Innovation gefeierte Chaos-System, das uns früher entweder als erbarmungslosen Killer oder als vorsichtigen Leisetreter einstufte, haben die Entwickler nämlich kurzerhand über Bord geworfen. Das ist eine schlechte Nachricht für all jene , die es bei den Hauptspielen genossen haben, gezielt auf das "gute" oder das "schlechte" Ende hinzusteuern – wer sich in der Vergangenheit jedoch von diesem Feature eingeschränkt fühlte, der wird die Design-Entscheidung begrüßen. Immerhin verhindert sie, dass man sich beim Herumspielen mit den verschiedenen Herangehensweisen zurücknimmt – z.B. weil es man es auf einen Spieldurchgang ohne Tote abgesehen hat, um in den Genuss der bestmöglichen Abspann-Sequenz zu kommen. Denn abgesehen vom ausrangierten Chaos-System ist "Dishonored" noch immer "Dishonored": So dürfen wir einen bevorstehenden Bankraub sorgfältig im Voraus planen, um das Gebäude entweder über die Kanalisation, das Dach oder die Müllentsorgung zu betreten – und wer  gerne besonders gründlich vorbereitet, der darf außerdem ein Betäubungsmittel ins Belüftungssystem gießen, damit sich bei seiner Ankunft im Geldhaus alle Wächter und Angestellten im Schlummerland aufhalten.

 

Situationen wie die geschilderte spielen auch in diesem Serien-Ableger eine wichtige Rolle – und zusammen mit dem gewohnt liebevoll ausgearbeiteten, im Gemälde-Stil gehaltenen Szenario ergeben sie ein rund zehnstündiges "Dishonored"-Abenteuer, um das Fans nicht rum kommen. Anders als die Erweiterungen des ersten Teils kann der "Tod des Outsiders" auch ohne das Hauptspiel genossen werden – doch dank der zahlreichen Plot-Referenzen haben Kenner der Serie ganz klar mehr Spaß am Alleingang von Billie Lurk.  Die werden allerdings ein wenig darüber enttäuscht sein, dass sich Arkane trotz vieler, pedantisch ausgearbeiteter Details nur wenig Mühe gegeben hat, das Verhältnis zwischen Billie und ihrem Mentor Daud weiter zu vertiefen – da wäre mehr drin gewesen.