Verdammte Axt nochmal: Kopfspalterei mit "For Honor"

 

Axt gegen Schwert, Schwert gegen Katana: Mit seinem Culture-Crossover "For Honor" will Ubisoft das klassische Kampfspiel auf den nächsten Level befördern. Wir verraten, wie gut der Clash der Krieger-Kulturen tatsächlich funktioniert.



 

Wikinger gegen Ritter gegen Samurai: Mit seinem verschwitzten und blutgetränkten Kampfspiel-Gerangel "For Honor" inszeniert der französische Hersteller Ubisoft einen epischen "Clash Royale" der Krieger-Kulturen, den es so nie gab. Nordische Drachenboot-Fahrer und europäische Rittersleute lagen zeitweise tatsächlich miteinander im Clinch, die Samurai dagegen passen so gar nicht ins Bild: Als Europäer und Amerikaner ab dem 16. Jahrhundert mit ihren "Schwarzen Schiffen" an der japanischen Küste landeten, waren unsere heimischen Blechhosen-Träger längst Vergangenheit.

Macht aber nichts - denn Ubisoft hat ein reizvolles Szenario parat, um sein Crossover der Schwert-, Axt- und Morgenstern-schwingenden Kraftpakete zu erklären: Eine Katastrophe von apokalyptischen Dimensionen treibt die Landmassen und damit auch ihre wütenden Haudraufs näher zusammen. Das Ergebnis ist ein Jahrhunderte dauernder Krieg um Menschen, Macht und Materialien.

Darum hat Ubisofts Team um den Kampfspiel-versierten Jason Vandenberghe ("Red Steel") ein raffiniertes Kampfsystem ausgetüftelt: Während sie von ihren deutlich kleineren Mitkämpfern und Vasallen förmlich "umspült" werden, umkreisen die hünenhaften Spieler-Charaktere einander wie hungrige Raubtiere. Wechseln ihre wuchtigen Totschläger und rasiermesserscharfen Klingen von einer Hand in die andere, während sie auf eine Öffnung in der gegnerischen Deckung lauern. Um dann im richtigen Moment mit leichten Schlägen, schweren Hieben oder Wrestling-artigen Body-Checks auf den Gegner einzustürmen. Grundsätzlich gilt: Einen Schlag abwehren kann nur, wer seine eigene Waffe rechtzeitig korrekt ausrichtet - sonst gibt's Kopfschmerzen.

 



 

Klarer Fall: Anders als von vielen Kampfspiel-Fans erwartet, setzt "For Honor" nicht auf Realismus, sondern auf pure, unverfälschte Kampfeslust. Besonders Multiplayer profitieren hiervon: Im Kampf Mann gegen Mann oder Gruppe gegen Gruppe (mit bis zu vier Kriegern auf jeder Seite) machen die Duelle am meisten Spaß. Hier sind es gerade die Unterschiede zwischen den drei Fraktionen und ihren verschiedenen Charakter-Klassen, die immer wieder für Überraschungen sorgen. Ebenso wie die zahlreichen Ausrüstungsgegenstände und Fertigkeiten, die der Spieler mit wachsendem Fortschritt auf seine Champions verteilen darf. Ein neuer Armschutz hier, ein neuer Helm da - und zum Abrunden noch eine nützliche Instant-Heilung auf Knöpfchendruck: Auf diese Weise werden die vierschrötigen Kriegsmonster individualisiert, gestärkt und geschützt.

Besonders hervorzuheben ist dabei der sich über mehrere Wochen erstreckende "Fraktionskrieg": In dieser Zeit tragen Triumphe und Niederlagen der eigenen Fraktion dazu bei, dass sich die Grenzen auf der Landkarte immer wieder verschieben - so lange, bis endlich eine Partei den Sieg davonträgt.

Wer dagegen lieber alleine und im Kampf gegen KI-gesteuerte Kämpen die Klinge kreisen lässt, der hat bei "For Honor" vergleichsweise wenig zu lachen: Die Kampagne dient vor allem dem Zweck, Fraktionen und Spielmechanismen vorzustellen - ein cineastisch aufbereitetes Spektakel wie bei einem "Ryse: Son of Rome" wird hier nicht aufgefahren. Trotzdem: Für Multiplayer ist "For Honor" ein Fest - denn hier bieten Vandenberghe & Co. genau die richtige Mixtur aus bombastischem Spektakel, räudigem Gemetzel, und zwar griffigen, aber auch vielschichtigen Kampfspiel-Mechanismen.