Eine schrecklich nette Familie: "Resident Evil 7"

 

Endlich blättert die Farbe wieder ab: Für "Resident Evil 7" kehrt Capcom den High-Tech- und Action-Bunkern des Anti-Zombie-Kriegs den Rücken und zieht stattdessen in eine verfallene Südstaaten-Villa um. Doch wie gut funktioniert die Rückbesinnung auf die Horror-Wurzeln der Serie?



 

Ego-Kamera statt Verfolgerperspektive und langsamer Spukhaus-Horror anstelle von Zombie-Schießbude: Horror-Spezialist Capcom verpasst der monströsen Fratze seiner "Resident Evil"-Reihe ein schauriges Makeover und kehrt damit zu den Serien-Wurzeln zurück. Doch Teil 7 ist mehr als ein Neustart – es ist auch einer der wichtigsten Hoffnungsträger für Besitzer von Sonys "PlayStation VR"-Headset. Kann "Biohazard" seiner großen Verantwortung gerecht werden?


Immerhin hat der japanische Hersteller mit dem ersten "Resident Evil" 1996 die Blaupause für das moderne Horror-Spiel geliefert: Der Streifzug durch eine Villa voller Untoter war bösartig und schockierend, außerdem hielten den Spieler teuflische Rätsel auf Trab. In den darauffolgenden Jahren mutierte der Kampf gegen den bösen Konzern Umbrella und seine untoten Horden allerdings immer mehr vom Grusical zum Baller-Spektakel. Bei den Leinwand-Adaptionen der Reihe regiert bis heute der Abzugsfinger: Im aktuellen und wohl auch letzten Filmableger "Resident Evil: The Last Chapter" (Kinostart: 26. Januar) mäht Zombie-Jägerin Milla Jovovich Heerscharen von Untoten nieder, als gäbe es dafür einen Highscore.

Den meisten Fans der Videospielserie gefiel die Shooter-Ausrichtung allerdings weniger, darum kehrt Capcom den bleihaltigen Scharmützel den Rücken und verdichtet stattdessen wieder auf das Spukhaus-Szenario von einst . Dafür wählen die Entwickler eine auf den ersten Blick banale Ausgangslage: Held Ethan will in den Sümpfen von Louisiana seine seit drei Jahren vermisste Frau aufspüren - fündig wird er schließlich im verfallenen Horror-Haus der Familie Baker. Dabei ist der einst wohlhabende Hinterwäldler-Clan selbst Opfer eines geheimnisvollen Fluchs: Die durchgedrehte Sippschaft verfügt über eine unheimliche Regenerations-Gabe. Ganz gleich, ob Papa Baker & Co. flambiert, erschossen oder zerhackt werden – sie stehen immer wieder auf, um Jagd auf Held Ethan zu machen.

 



 

Der muss deshalb ordentlich Gas geben, während er in all den von Unrat übersäten Korridoren, Zimmern, Hallen und Kellern nach seiner Liebsten sucht. Nicht weniger gefährlich als die Bakers sind dabei die dämonischen Besucher der Südstaaten-Villa: Die Kreaturen bestehen aus einer schwarzen, Teer-artigen Substanz und fließen förmlich durch alle Ritzen des Gemäuers, um sich überraschend vor Ethan zu manifestieren. Die anschließenden Kämpfe sind filmreif inszeniert und verdonnern den Spieler zum Zuschauer. Auf dem Bildschirm ist das ein echter Hingucker, mit dem Headset dagegen verträgt sich diese Design-Entscheidung nur bedingt: Hier bekommt der VR-Spieler den Eindruck vermittelt, nicht mehr der Herr über seinen Körper zu sein…

Ebenfalls etwas unglücklich: Nach einem extrem spannungsgeladenen Auftakt geht das neue "Resident Evil" schnell zu den gewohnten Spielmechanismen der Grusel-Reihe über. Dann wird die so mühsam aufgebaute Atmosphäre zugunsten von den gewohnten Adventure-Puzzles, Schlüsselsuchen und viel Objekt-Management geradezu leichtfertig über Bord geworfen. Als Reminiszenz an die Wurzeln der Reihe funktioniert das hervorragend, doch als modernes Horror-Spektakel weniger.

Am Ende bleibt sich "Resident Evil" also treu: Wer auf eine Neuerfindung und maßgebliche Modernisierung der Serie oder ein revolutionäres VR-Spektakel gehofft hat, wird leider enttäuscht. Zumindest in atmosphärischer Hinsicht: Wir haben "Resident Evil 7" VR-seitig nicht als sonerlich immersiv empfunden – technisch gibt sich die Gruselei hier allerdings keine Blöße. Capcom und Sony haben hier optimal zusammengearbeitet, um Motion-Sickness bzw. VR-Krankheit vorzubeugen – und das mit Erfolg.

Sonst gilt: Vor allem wer ein klassisches "Resi"-Erlebnis mit moderner Technik sucht, der ist hier goldrichtig, "Biohazard" mag nur mittelprächtigen Horror bieten, aber dafür ist es ein rundum gelungenes Adventure-Erlebnis für den klassischen TV-Genuss. Und die angenehme Entschleunigung des Spieltempos ist nach den hektischen Material-Schlachten der letzten Episoden eine willkommene Abwechslung. (rb)

 



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Kommentare: 6
  • #1

    Micha (Samstag, 28 Januar 2017 19:46)

    "Wir haben "Resident Evil 7" VR-seitig nicht als sonerlich immersiv empfunden "

    Echt jetzt... meine Fresse was soll denn da noch kommen damits immersiver wird?

  • #2

    Robert Bannert (Samstag, 28 Januar 2017 20:24)

    Wie Du siehst, ist auch das Ansichtssache! :) Darum hier ein paar Anmerkungen zu meinem Review: Während der ersten ein, zwei Spielstunden fand auch ich den VR-Faktor grandios… doch mit stetig steigendem Kampf-Aufkommen ist die Immersion bei mir immer weiter zerbröckelt. Die Kämpfe funktionieren zwar in VR (d.h. man kann sie erfolgreich bestreiten), aber sie sind eben extrem mechanisch – und das zerstört die Immersion. Ganz schlimm fand ich's, wenn man mir z.B. im Nahkampf gegen Bosse die Steuerung entweder teilweise oder ganz aus der Hand genommen hat, man also Teil einer Art "Sequenz" wurde. Diese "Entmündigung" des Spielers ist beim klassischen Bildschirmgeschehen erprobt, dramatisch und hoch funktionell… aber mit VR verträgt sie sich nicht. Hier soll man Dir ja das Gefühl vermitteln, Du würdest Dich mit Deinem Körper durch eine andere, alternative Realität bewegen. Wenn man Dir dann aber plötzlich die Kontrolle über diesen Körper entreißt, dann zerstört es die Illusion komplett. Hinzu kommt die schiere Menge an Feinden: Die kriechen nach einiger Zeit ja praktisch aus allen Ritzen – und auch das zerstört die Dramatik und die Beklemmung. Für ein klassisches, Action-lastiges Resi auf dem Bildschirm wunderbar – aber nicht für ein VR-Game, das Dir obendrein Angst machen soll. Ist doch selbst im Kino so: Wird Horror auf der Leinwand inflationär, dann macht er Dir nix mehr aus… Deine Toleranz-Schwelle für das vermeintliche Grauen steigt und steigt und steigt… bis es Dir nicht mehr abringt als ein müdes Lächeln.

    Technisch und inszenatorisch ist "Resi 7" im VR-Betrieb fast tadellos (abgesehen von der arg detailarmen und Steckkarten-artigen Vegetation außerhalb der Gebäude oder den Gefäßen in den Regalen, die man einfach mit groben Texturen beklebt hat), aber die Spielmechanik verträgt sich eben längst nicht überall damit. Man merkt, dass das Spiel nicht allein für VR gestaltet wurde, sondern vor allem auf dem Bildschirm funktionieren muss – immerhin erreicht man hier die meisten Kunden. Dass man das Game-Design für die paar VR-Kunden nicht komplett umkrempeln konnte, ist wirtschaftlich absolut nachvollziehbar, aber Verständnis für die Gründe macht das Resultat eben nicht besser. Es ist sicher wichtig, dass Capcom einen derart wichtigen Titel mit einigem Aufwand VR-fit gemacht hat – aber er zeigt eben gleichzeitig, dass hier noch einiges passieren muss. Und weil ich selber großer VR-Befürworter bin, hoffe ich natürlich auch sehr darauf! Aber nur, weil ich persönlich auf tolle VR-Games lauere, darf ich nicht automatisch jedes aufwändige VR-Game abfeiern und hypen. Wenn ich Kritikpunkte sehe, muss ich sie auch behandeln. Wenn Du mit dem VR-Modus persönlich viel Spaß hast, ist das natürlich super – ich sehe es eben anders.

  • #3

    Micha (Sonntag, 29 Januar 2017 00:13)

    Wow, Danke für die ausführliche Erläuterung, jetzt hab ichs auch verstanden, was Du meinst. Da geb ich Dir natürlich Recht, ich spiele RE7 allerdings auch nur noch ohne VR Set, fühl mich da einfach wohler :-)
    Würde mich freuen wenn VR Titel kämen, die auch schöne Dinge zeigen würden, ähnlich wie bei der Unterwasser "Demo" in Playsation VR Worlds.

  • #4

    Robert Bannert (Dienstag, 31 Januar 2017 21:08)

    Gleichfalls! Ich würde mich generell freuen, wenn künftig mehr große Studios mit vollwertigen VR-Titeln aus der Deckung kommen würden! "Robisnon" ist ein Schritt in die richtige Richtung – eben nur leider viel zu kurz!

  • #5

    Micha (Montag, 20 Februar 2017 19:56)

    Apropos gelungene VR Titel.. hatte am Wochenende das Vergnügen Psychonauts in the Rombus of Ruin für PSVR durchspielen zu können (ca. 3h) . Für mich ein sehr gelungener VR Titel mit dem typischen Tim Schafer Humor und prima Grafik und einigen netten Gags und witzigen VR Perspektiven. Davon darf ruhig mehr kommen

  • #6

    Robert Bannert (Montag, 20 Februar 2017 19:57)

    Oh… den habe ich ganz verschwitzt, noch nicht angesehen! Danke für den Reminder! :D