Ab in den Dschungel: Dino-starker VR-Talk mit "Robinson"-Producer Fatih Özbayram

 

Bruchlandung auf dem Dinosaurier-Planeten: Mit "Robinson: The Journey" liefern die deutschen Grafik- und Effekt-Experten von Crytek den wichtigsten Exklusiv-Starttitel für Sonys Cyber-Brille 'PlayStation VR'. Producer Fatih Özbayram verrät uns, wie man virtuelle Urzeit-Riesen zähmt.

 


 

Wie tief reicht die stereoskopische Darstellung bei Headsets eigentlich in den Raum hinein? Und wie sieht das bei Headsets aus?


In VR kann man jede Entfernung abdecken, von ganz nah bis unendlich weit. Es gibt keine wirkliche Einschränkung, da Tiefe durch drei Elemente abgebildet wird: Die unmittelbare Umgebung, die Ansicht (Vista) und den Sound.
Die unmittelbare Umgebung des Spielers ist sehr detailiert in Szene gesetzt, da diese für die Interaktion mit der Welt sowie für das Erschaffen von Präsenz notwendig ist. Die Ansicht (Vista) wiederum kann im Zusammenspiel mit Sound Tiefe sehr gut abbilden. Wenn du beispielsweise einen Vogel um dich herumfliegen siehst, ist dieser dementsprechend laut, und du kannst natürlich jedes Detail vom Vogel sehen. Wenn der Vogel dann Richtung Horizont fliegt, hörst du ihn immer leiser, je weiter er fliegt. Und natürlich siehst du auch, wie winzig er dann im Vergleich zur Ansicht ist.


 

Auf was muss man achten, wenn man ein virtuelles Set erschafft – damit es immersiv und räumlich wirkt? Was sind hier die Möglichkeiten, und wo sind die Grenzen?

Auf die Polygone muss man achten. Objekte müssen detailliert sein – und meist reicht es nicht mehr, nur Texturen zu verwenden, da diese sehr schnell sehr flach wirken. Das Erschaffen von Räumlichkeit hängt insbesondere davon ab, wie detailliert Objekte sind und wie sie platziert werden: Objekte in unmittelbarer Nähe sind meistens hochdetailliert. Objekte in mittlerer Distanz sind zwar immer noch sehr fein ausgearbeitet, aber weniger detailliert als Objekte in der unmittelbaren Nähe. Und Objekte in der Ferne schließlich sind notwendig, um eine gewisse Tiefe zu kommunizieren. Das hilft dem Spieler dabei, das Größenverhältnis zwischen Objekten in der Nähe sowie Ferne zu verstehen – zusätzlich zur Kommunikation einer Tiefe.


Schnappmäuler in der Grube: Im fertigen Spiel stehen wir oben und schauen angstvoll nach unten, während sich die Raptoren gierig die Lefzen lecken.
Schnappmäuler in der Grube: Im fertigen Spiel stehen wir oben und schauen angstvoll nach unten, während sich die Raptoren gierig die Lefzen lecken.

 

Inwiefern habt Ihr das Game-Design von "Robinson" um die VR-Restriktionen herum gebaut? Welche Elemente des Game-Designs sind hier dem Medium geschuldet?

Es gibt gewisse 'Best Practices', die bei traditionellen Games Anwendung finden, die man bei VR aber vermeiden sollte, da sie für den Spieler gegebenenfalls eine unangenehme Erfahrung bedeuten könnten.  Wenn der Spieler z.B. Treppen steigt, wird in traditionellen Spielen die Kamera bei jeder Stufe mitbewegt – aber eine ähnlich systematische Kamerabewegung würde bei VR Übelkeit auslösen. Tatsächlich kann hier jede Art von systematisierter Kamerabewegung für den Gamer sehr unangenehm sein. Wir haben dieses 'Best Practice' berücksichtigt, indem wir die Kamerabewegung zu keinem Zeitpunkt vom Spieler abkehren
'On-Screen-Effekte- sind ebenfalls ein großes No-Go für VR Erfahrungen – vor allem, wenn sie die Kopfbewegungen des Spielers nicht oder nicht richtig nachvollziehen. Darum haben wir bewusst darauf verzichtet.

Das abrupte Aufknallen auf dem Boden wird ebenfalls als unangenehm empfunden. Wir lassen den Spieler daher sowohl in '"The Climb" als auch in "Robinson: The Journey" nur für eine kurze Zeit fallen und gehen dann direkt zu einem schwarzen Bildschirm über, um einen abrupten Aufschlag zu verhindern. Auch das Timing bei Stürzen mussten wir lange testen und optinieren, um Übelkeit zu vermeiden.

 



 

Warum ein Dschungelplanet – und wieso Dinosaurier? Was macht dieses Szenario besonders geeignet für VR?


Ein Dschungel eignet sicher besonders gut, da er voller Leben und reich an Details sein kann. Üppige Vegetation, Licht und Schatten, viele unterschiedliche Kreaturen – das macht unserer Meinung nach einen guten Dschungel aus! In VR geht es darum, den Spieler in die Welt zu versetzen – und je dichter die Atmosphäre bzw. je lebendiger die Umgebung, desto besser klappt das. Und wer mag schon keine Dinosaurier? Spaß beiseite: Dinosaurier gibt es in vielen Formen und Größen – und in einer VR-Welt funktionieren deutliche Größenunterschiede (Scale) besonders gut. Ein Brontosaurus oder ein Mammutbaum sehen hier viel beeindruckender aus, da man Höhe und Entfernungen sehr gut einschätzen kann. Außerdem wollten wir das 'Dinosaurs in Space'-Konzept, das in den 70er Jahren aufkam, modernisieren und in VR übertragen.


 

Gibt es in Eurem Spiel Kämpfe? Lassen sich Gefechte in VR überhaupt ordentlich umsetzen?

"In Robinson: The Journey" gibt es keine Kämpfe, und als Adventure bzw. Exploration-Game ist es auch nicht darauf ausgelegt. In unserem Spiel geht es eher um das vorsichtige Erkunden von schönen Umgebungen und einer vielfältigenTierwelt. Einige Lebewesen stellen keine Gefahr dar, anderen widerum sollte der Spieler mit Vorsicht begegnen oder gar aus dem Weg gehen. Des Weiteren hat man zwei Kumpane dabei, die den Spieler bei seiner Erkundung begleiten und auf deren Fähigkeiten er in manchen Situationen zurückgreifen darf.

Kämpfe machen in traditionellen Spielen absolut Sinn – doch sobald bei VR schnelle und für das Spieler-Hirn nicht mehr nachvollziehbare Richtungswechsel auftreten, bekommen viele Gamer Probleme mit Motion-Sickness. Das nennt man übrigens auch 'Simulator-Krankheit'. Hier wird noch viel Forschung und Entwicklungsaufwand betrieben werden müssen – aber ich bin mir sicher, dass wir bald immer mehr Möglichkeiten finden werden, auch Gefechte und rasche Bewegungen umzusetzen. 

 


Sieht aus wie die Ingame-Entsprechung zum Move-Controller der PS4, wird aber mit dem Joypad gesteuert: Ein Stab, mit dem Held Robin seine urzeitliche Umgebung scannt und 'telekinetisch' manipuliert.
Sieht aus wie die Ingame-Entsprechung zum Move-Controller der PS4, wird aber mit dem Joypad gesteuert: Ein Stab, mit dem Held Robin seine urzeitliche Umgebung scannt und 'telekinetisch' manipuliert.

 

Glaubst Du, dass VR-Entwickler dem Medium gegenüber eine besondere Verantwortung haben?  Immerhin sind sie es, die mit ihren Produkten für viele Spieler den VR-Erstkontakt herstellen – d.h. sie formen dabei mutmaßlich sein Bild von dieser neuen Technologie. Sie können dabei Vertrauen und Begeisterung aufbauen – oder aber die Vorfreude zerstören. Siehst das Du das ähnlich?


Das sehen wir bei Crytek genauso. Bei VR ist es besonders wichtig, gezielt für VR zu entwicklen und Gameplay-Elemente zu integrieren, die nur in VR funktionieren und nur dort Sinn machen. Ein Objekt sollte von allen Seiten gut aussehen und auch den kritischen Blicken eines Spielers standhalten wenn der das Objekt aus nächster Nähe untersucht. Wenn man möchte, kann man hier sicher den Vergleich zum 3D-Kino ziehen. Ein nachträglich bearbeiteter Film kann niemals das erreichen, was ein speziell für 3D geschossener Film schafft.

 


 

Was zeichnet für Dich ein gutes VR-Spiel aus?


Ein gutes VR-Spiel muss für VR konzipiert sein und alle Möglichkeiten nutzen, die VR anbietet. Ein bestehendes Spiel für VR zu portieren, greift hier zu kurz. Um ein konkretes Beispiel zu geben: 
Das Scannen von Kreaturen in "Robinson" erfordert nicht nur eine Kombination aus Kopfbewegung und Knopfdruck – manchmal ist es wichtig, dass der Spieler ein gescanntes Objekt regelrecht umrundet. Natürlich wäre es einfacher, wenn der Spieler einfach einen Knopf drückt und der Scan-Vorgang erfolgreich abgeschlossen ist – aber das würde den Vorteil, den dieses Medium mit sich bringt, nicht zur Geltung bringen. Wir evaluieren alle Gameplay-Features und Ideen stets danach, ob sie für die Umsetzung in VR etwas Besonderes sind.


Natürlich müssen für eine gute VR-Erfahrung die technischen Voraussetzung (durchgehend konstante Bildwiederholrate, minimale Latenz zwischen Kopfbewegung und Bild) gewährleistet sein. Hinzu kommt, dass eine hohe Auflösung die Spielwelt natürlich glaubhafter wirken lässt.

 


Wofür eignet sich die neue Technologie besonders gut – und wovon sollte man aktuell besser die Finger lassen? Wie habt Ihr das bei Eurem eigenen Spiel berücksichtigt?

Theoretisch eignet sich VR wirklich für alles  – solange explizit für dieses Medium entwickelt wird und man die erwähnten 'Best Practices' berücksichtigt.
Es gibt schon VR-Simulationen, mit denen man ein Haus besichtigen kann, bevor man einzieht. Ärzte können sich auf Operationen in VR vorbereiten und Service-Kräfte bekommen die Möglichkeit, ihren Einsatz zusammen mit dem Kunden zu üben, bevor sie ihren Job antreten.


Langer Rede kurzer Sinn: VR eignet sich wirklich für alles – und der Kreativität steht fast nichts im Wege. Die größte Stärke von VR ist das Gefühl der Präsenz, und im Moment finden Entwickler fast täglich neue Wege, das auszunutzen.

 


Willkommen daheim: Im Unterschlupf werden bei einem Verschnaufpäuschen die gesammelten Daten ausgewertet.
Willkommen daheim: Im Unterschlupf werden bei einem Verschnaufpäuschen die gesammelten Daten ausgewertet.

 

Wie gut eignet sich VR, um Geschichten zu erzählen und Emotionen zu vermitteln, die tief gehen? Das Element der erzählerischen Zwischensequenz z.B. fällt ja quasi flach – und dem Spieler ständig Schrifstücke zu servieren, wird ebenfalls schwierig. Wie erzählt man also am besten eine Geschichte, die natürlich und immersiv wirkt? Undinwiefern müssen Entwickler hierbei umdenken – sich von etablierten Mechanismen lösen?

Unsere Herangehensweise in "Robinson: The Journey" ist zwar prinzipiell simpel, aber unglaublich schwierig umzusetzen. Wir verzichten wenn möglich auf UI-Elemente, welche die Immersion brechen. Stattdessen versuchen wir, so viel Story wie möglich über unseren Safety-Bot 'HIGS' zu transportieren. HIGS ist der ständig um Robins Sicherheit besorgte Begleiter im Spiel und verfügt über eine Menge Wissen, das er nach und nach mit dem Helden teilt. Eine weitere Mechanik ist unser 'Infotarium': Hier erfährt Robin mehr über die Welt, in der er sich befindet. Für die Vermittlung dieser Informationen nutzen wie vor allem Bilder, Videos und Audio-Elemente – auf lange Texte verzichten wir überwiegend. Ein Umdenken ist also auf jeden Fall nötig, und viele der alten Design-Regeln funktionieren nicht mehr in VR. Generell wird noch viel Kreativität und Einfallsreichtum gefragt sein – einer von vielen Gründen übrigens, warum uns die VR-Entwicklung so viel Spaß macht.

 


 

Wie geht man in VR mit dem Tod um? Theoretisch bietet die neue  Technologie ja faszinierenden Möglichkeiten, den Moment des Ablebens, die vorausgehende Bedrohung und – wenn man es denn esoterisch mag – den Übertritt auf eine andere Ebene oder in das nächste Leben darzustellen. Ein simpler "Game Over"-Screen dagegen besitzt vielleicht das Potential, uns mehr aus der Immersion zu reißen als beim Bildschirmspiel. Wie stehst Du dazu?

Letztendlich muss sich das Ableben in VR nicht sehr von der Herangehensweise in herkömmlichen Spielen unterscheiden. Schließlich ist es in den meisten Spielen eine notwendige Gameplay-Mechanik. Bei unserer Klettersimulation "The Climb" für Oculus Rift haben wir lange experimentiert, um den möglichst dramatischsten und gleichzeitig magenschonendsten Absturz zu simulieren. Anfangs haben wir die Spieler den ganzen langen Weg nach unten fallen und physikalisch korrekt von Felsen abprallen lassen, um sie schließlich auf dem Boden zu zerschmettern. Das Ergebnis war verheerend. Darum haben wir uns letztendlich für ein vergleichsweise kurzes Fallen entschieden, bevor der Bildschirm schwarz wird. Noch immer verspürt man dabei ein leichtes 'Achterbahn-Gefühl' in der Magengrube – also haben wir hier eine Lösung, die noch immer 'kickt', aber sensibleren Spielern gleichzeitig keine Probleme mit Motion-Sickness bereitet.

 



Oculus Rift jetzt auch in Deutschland

Nicht nur dabei, sondern mittendrin: Spielewelten wie aus Cryteks "The Climb" endlich hautnah erleben – dank offiziellem Deutschlandstart von Oculus Rift jetzt möglich. U.a. ist das Headset bei amazon zu haben… (MEHR)