Alte Liebe rostet nicht (mal unter Wasser): Warum die "Bioshock Collection" noch heute Ego-Gold verdient

 

"Bioshock", "Bioshock 2" und "Bioshock Infinite" nebst aller Bonus-Inhalte. Von den Tiefen des Ozeans in himmlische Sphären: Mit seiner "Bioshock Collection" verpasst Hersteller 2K drei unverwüstlichen Ego-Shooter-Klassikern das längst überfällige Makeover. Aller Remake-Müdigkeit zum Trotz: Wenn es jemals eine Neuauflage gab, die eine Neuanschaffung wert war – dann ist es diese hier! Wir verraten warum.

 

Bilder: "Bioshock", "Bioshock Infinite", "Bioshock 2" von 2K; Composing: Robert Bannert
Bilder: "Bioshock", "Bioshock Infinite", "Bioshock 2" von 2K; Composing: Robert Bannert

 

Würde mich heute – rund 25 Jahre nach "Doom" – jemand fragen, ob ich gerne Ego-Shooter spiele, dann fiele meine Antwort weit weniger eindeutig aus als damals. Bis "Half Life 2" waren die Genre-Grenzen ziemlich eng gesteckt – Ego-Ballereien definierten sich vor allem über ihren Blickwinkel und die entsprechende Anpassung bekannter Action-Mechanismen. Ballern, sammeln, nicht draufgehen. Zugegeben: Das ist noch immer des schießwütigen Pudels Kern – aber drum herum ist mittlerweile ein Regelwerk gewuchert, das ähnlich komplex ist wie das eines Rollenspiels.

 

Der Grund: Die Schlagbäume zwischen den verschiedenen Genres sind heute weit geöffnet – hier darf jeder passieren, der seine DNA unterbringen will. Die Folge der verspielten "Multikulti-Gesellschaft" ist ein ebenso reger wie segenspendender Austausch von Erbgut – besonders das Rollenspiel und physikalische Spielereien haben sich erfolgreich durchgesetzt. Inzwischen lässt sich kaum noch sagen, wo die Arcade-Ballerei von damals aufhört, und wo der verrollenspielte Intelligenztest aufhört. Selbst Titel wie ein "Portal" lassen sich zumindest grob dem Ego-Shooter zuordnen. Die passende Rechnung geht ungefähr so: "Knarre + Ego-Perspektive + charakteristische Mini-Hopser = Ego-Shooter".

 

Dabei gehen die Änderungen an der ursprüngliche Kawumm-Rezeptur der egomanischen Ballerei über eine bloße Schönheits-OP hinaus: Genre-Hybriden, die sich ohne Umschweife zum Mix bekennen, vermitteln eine signifikante Veränderung des Spielgefühls. Zumindest dann, wenn der Genre-Mix so ambitioniert ausfällt wie bei einem "Bioshock": Mit der Reise in ein subnautisches, vernisches Dystopia hat 2K vor rund neun Jahren gezeigt, welches Potential in dieser Sorte Genre-Frankenstein steckt. Und das Monstrum dann passenderweise mit einer gehörigen Dosis Horror gestreckt. Eine Tatsache übrigens, die ich bis zum Erhalt der "Bioshock Collection" fast schon verdrängt hatte: Naturgemäß war der Serienteil, der mir noch immer am lebendigsten durch die Gedächtniszellen spukte, der letzte – also der schrille, bunte und bestenfalls vorsichtig Grusel-geladene Trip ins Wolkenkuckucksheim von Columbia. Umso erstaunter war ich, als ich nach einer kurzen Rückkehr ins Reich des Propheten Comstock endlich wieder ins frühe Rapture abtauchte und sich mir dabei ein Aquarium der Garstigkeit offenbarte: Auch nach fast zehn Jahren hat die Unterwasser-Metropole von Möchtegern-Humanist Andrew Ryan nichts von ihrer Faszination, ihrer Studel-artigen Sogwirkung oder diabolischen Kraft verloren. Das ist nicht zuletzt der nahezu perfekten Balance von miteinander koppelbaren Fähigkeiten geschuldet, die obendrein clever mit der Umwelt interagieren: Dabei zusehen, wie kreischende Splicer durch brennende Öl-Teppiche laufen oder in einem unter Strom gesetzten Bassin zuckend zu Boden gehen – das macht noch immer genauso viel Spaß wie Ende 2007.

Auch die schiere Unverwüstlichkeit des Szenarios und seiner stilvollen Inszenierung fesselt mich heute ebenso wie damals an die Mattscheibe: Indem man sämtliche Botschaften und sozialkritischen Aussagen des Spiels ein retro-futuristisches Szenario verpflanzt hat, behalten sie stets ihre Relevanz. In der Gestalt Andrew Ryan manifestiert sich eine Art moderner Kapitän Nemo, dessen Wunsch nach Freiheit und Fortschritt jedoch zwangsläufig in Chaos und Anarchie gipfeln muss – zumal Ryans Wünsche oft von Paranoia und Kontrollwahn geleitet werden. In dieser Hinsicht ähnelt der Gründer von Rapture dem Columbia-Propheten Comstock – ihre Antriebsfedern allerdings sind grundverschieden: Der eine wird von darwinistisch und marxistisch inspirierten Idealen geleitet, der andere ist ein religiöser Fanatiker und betrachtet sein Eroberungs- sowie rassisch motiviertes Reinigungswerk als göttlich legitimiert.

 




 

Die Aussage des jeweiligen Spiel-Universums und seine Gameplay-Mechansimen greifen dabei eng ineinander: "Bioshock" und "Bioshock 2" gewähren uns maximale spielerische Freiheit – nur um uns am Ende mit der Nase darauf zu stoßen, dass wir in Wahrheit nur Befehls- oder Instinkt-gesteuerte Schachfiguren waren und beinahe jeder Schritt von anderen vorausgeplant wurde. "Bioshock Infinite" dagegen peitscht uns durch eine weitgehend geradlinige Erzähl- und Baller-Orgie, die uns vor allem eines vor Augen hält: Die Unausweichlichkeit unseres Schicksals.

 

Grundverschieden sind außerdem die Erzähl-Perspektiven, die Serien-Schöpfer Levine für die beiden ersten Abenteuer bzw. den bisher letzten "Bioshock" gewählt hat: So stehen wir bei "Infinite" im Mittelpunkt der Ereignisse. Die relevanten Handlungs-Elemente werden nicht nur um unseren Protagonisten herum aufgereiht – tatsächlich ist er selber der Initiator dieser Ereignisse. Eine Herangehensweise übrigens, die vor allem bei Erzählformen wie Film oder Belletristik üblich ist – also dort, wo wir uns zwar stark mit dem Helden der Geschichte identifizieren, aber nicht selber mit der Rahmenhandlung interagieren können. Der Grund dafür ist simpel: Je kleiner die Interaktions-Freiheit, desto mehr konzentrieren wir uns auf die Geschichte und ihre Figuren – doch im selben Maße wie sie steigt, widmen wir uns dem Regelwerk und seinen Mechanismen. An die Stelle von emotional aufgeladener Identifikation tritt die Sorte Immersion, die mit dem Erforschen einer detailliert ausgearbeiten Welt und ihren Regeln einhergeht. Spiele mit dieser Herangehensweise müssen sich anderer Tricks bedienen, um uns eine packende Geschicht zu erzählen: Anstelle einer filmisch aufgezogenen Narration sind es hier über die Spielwelt verteilte Schriftstücke, Aufzeichnungen oder Informanten, die uns mit den nötigen Story-Häppchen versorgen.

Als Serie wechselt "Bioshock" zwischen diesen beiden Verfahrensweisen: Teil 1 wurde vor allem dafür berühmt, ein gigantischer, subnautischer Experimentierkasten für Ego-Shooter und Adventure-Fans zu sein – "Infinite" wiederum wurde seit jeher für seine Geradlinigkeit kritisiert. Trotzdem ist es gerade diese Geradlinigkeit, mit der man Mut zur Eigenständigkeit beweist. Denn Teil 2 führt die Rezeptur des Vorgängers zwar gelungen fort – doch am Ende bleibt er nur eine erzählerische Fußnote des Rapture-Universums. Anders als im ersten Teil die ebenso faszinierende wie monströse Kombi aus 'Big Daddy' und 'Little Sister' in den Mittelpunkt zu stellen, ist clever – aber am Ende fühlt sich Teil 2 vor allem wie ein Add-On an. Immerhin: Wie ein großartiges Add-On.

 

Zugegeben: Der überraschend temporeiche Shootout über den Wolken weckt in uns immer wieder die Lust, die gigantische Metropole des Prophen zu erforschen – doch als bloße Hintergrundkulisse gibt Columbia ebenfalls eine gute Figur ab. Dennoch: Wer sich auf das Abenteuer von Privatschnüffler Booker und Schützling Elizabeth einlässt, der wird zunächst die Freizügigkeit der ursprünglichen Rollenspiel-Mechanismen vermissen: So ist es auf einmal unmöglich, Objekte zur Auffrischung unserer Energievorräte zu bunkern, um sie dann einzusetzen, wenn wir es am nötigsten haben – stattdessen werden sie nach althergebrachter Shooter-Manier immer in dem Moment konsumiert eingesetzt, in dem wir sie aufsammeln. Doch spielerisch macht das sogar Sinn: Weil "Infinite" auf Geradlinigkeit und Tempo setzt, wird die Spielbalance zwangsläufig anders reguliert – jederzeit einsetzbare Reserven würden das Abenteuer zu einfach machen. Außerdem fällt der Survival-Aspekt der vorangegangenen Episoden weg – Ressourcen-Management wäre demnach sinnlos.

 

Zum Zeitpunkt der jeweiligen "Bioshock"-Erstveröffentlichung waren derartige Erkenntnisse naturgemäß nicht so offensichtlich – durch den Release der "Collection" drängen sich Vergleich und Analyse allerdings geradezu auf. Unsere Schlussfolgerung: Der einzige echte Klassiker im Baller- und Abenteuer-Trio ist das Original – und dank HD-Kosmetik offenbart das visuelle Design der Unterwasser-Metropole eine überraschende Unverwüstlichkeit. Klarer Fall: Rapture rostet zwar an allen Ecken und Kanten – aber der atmosphärisxhe und audiovisuelle Lack dieses Meistwerks ist noch lange nicht ab. Und die beiden Nachfolger sind eine mehr als angenehme Dreingabe: Wer Teil 1 durchgespielt hat, der will zwangsläufig mehr – und das vom Original etablierte Regelwerk ist so stark, dass es für drei Spiele reicht. Innovationsmangel und kleineren Unzulänglichkeiten zum Trotz.

 



"Bioshock: The Collection"

16.09.2017

2K Games

PS4, Xbox One

 

 

 



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