Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein! Und über den Dächern der "City of Glass" – dem sterilen Megalopolis aus dem neuen "Mirror's Edge"? Da ist sie zwar nicht
grenzenlos, aber immerhin verdammt groß: Denn das schwedische Entwickler-Studio EA DICE hat seinen 2008er-Spielehit für die Fortsetzung kurzerhand in einen gigantischen Open-World-Spielplatz
verwandelt. Ab sofort dürfen die bereits aus dem Vorgänger bekannten Parkour-Manöver genutzt werden, um eine frei begehbare Mega-City zu bereisen:
Denn dort leben die sogenannten "Runner" – eine Gesellschaft aus hyperaktiven Freiheitskämpfern, die Tag für Tag durch eine luftige Schattenwelt jenseits der Konzern-Gesetze läuft. Läuft, um
dem System zu entkommen, Pakete mit illegalen Waren transportieren oder um solchen Menschen zu helfen, die wie sie am Grenze der Gesellschaft existieren. Zu den besonders talentierten "Runnern"
gehört Faith: Bei einer Revolte gegen die Firmenherrschaft hat die junge Revoluzzerin ihre Familie verloren – seitdem hechtet sie mit spielerischer Eleganz über die Dächer der Wolkenkratzer.
Setzt mit weiten Sprüngen über Hausschluchten hinweg, springt dutzende Meter in die Tiefe und stößt sich von gegenüberliegenden Wänden ab, um schwindelerregende Höhen zu erreichen.
EA DICE inszeniert ihr akrobatisches Abenteuer als eine Art "Ego-Runner". Will heißen: Geflitzt und geschlittert wird wie beim handelsüblichen Ego-Shooter aus der Ich-Perspektive – aber
anstatt zur Knarre zu greifen und das Action-Feuer zu eröffnen, bewegt sich Faith in Hüpfspiel-verwandter Manier durch die Levels. Und das ist gar nicht mal so einfach: Denn handlich ist die
Steuerung der Parkour-Manöver nur in der Theorie. Sie so zuverlässig auszuüben, dass alle Bewegungen flüssig ineinander übergehen – das verlangt nach einem Grad an Hingabe und Meisterschaft, den
nur die wenigsten Spieler erreichen. Denn man muss ihn den zickigen Kontrolll-Mechanisem förmlich abringen – und das, obwohl "Catalyst" alle Absprungpunkte und die Laufrouten der
verschiedenen Missionen mit knalligem Rot markiert – einem komfortablen Runner-Navi sei Dank.
Dabei schreit die offene Lauf- und Kraxelwelt von "Mirror's Edge" förmlich danach, mit allerlei waghalsigen Manöver-Kombinationen erkundet zu werden. Doch das Spiel, das Bewegungsdrang als sein
Kern-Feature verkauft, das ist eher steif als dynamisch und seine scheinbar so weitläufige Architektur mehr Gefängnis denn experimenteller Parkour-Spielplatz. Wer genug Zeit und Mühe in das
schwindelerregende Gewetze investiert, der wird das schwerfällige und frustrierende Regelwerk mit Hilfe erlernbarer Fähigkeiten allmählich zähmen – denn durch den Zukauf dieser "Skills" wird das
Manöver-Repertoire der Heldin umfangreicher, und die Steuerung selber verliert allmählich ihre Scharfkantigkeit. Auch die Integration eines Greifhakens steigert die Dynamik zumindest dezent:
Faith macht das flexible Seil-Werkzeug an Kameras und ähnlich vorwitzigen Punkten der Level-Architektur fest, um dann mit Schmackes zwischen den Wolkenkratzern hin und her zu schwingen.
Doch ein paar elementare Probleme bleiben dennoch: So wird Faiths Kampf gegen das Konzern-System zu teilnahmslos erzählt, die ewig gleichen Laufkurse werden fix langweilig und das ungelenke
Nahkampf-Gerangel mit den Konzern-Handlangern bringt das Spiel immer wieder aus dem Tritt. Was bleibt, das ist ein interessanter Ansatz, der es aber einfach nicht schafft, seinen Rhythmus zu
finden. Oder zu der Sorte dystopischer Hochform aufzulaufen, für die sein Vorgänger so beliebt war.
6.5
befriedigend
Grafik: befriedigend
Sound: befriedigend
Steuerung: befriedigend
Spielspaß: befriedigend