Explosionen, coole Sprüche, dicke Knarren, noch mehr Explosionen: Square Enix' Ein-Mann-Armee Rico Rodriguez meldet sich zurück – und wieder geht es darum, ein Inselparadies aus den
Klauen eines skrupellosen Diktators zu befreien. Diesmal ist es Ricos eigene Heimat Medici, die unter der brutalen Herrschaft von General Di Ravello leidet. Doch der hat die Rechnung ohne Rico
und seine Zerstörungswut gemacht: Denn wenn es darum geht, etwas in die Luft zu jagen, dann ist der raubeinige Action-Agent verdammt kreativ. Automatische Pistolen, großkalibrige Bleipusten und
Raketenwerfer sind da fast schon langweiliger Standard – viel lieber greift der Fachmann für Vernichtungs-Orgien und Dauer-Detonationen auf seinen Greifhaken zurück.
Mit dem kann sich Rico fast überall auf der Insel festkrallen: Ob Felsmassiv, Erdboden oder Häuserwand – einfach die Leine auswerfen, festmachen… und dann in Sekundenschnelle in Richtung
Greifhaken schnellen. Ricos Art der Forbewegung ist zwar unfassbar übertrieben, aber auch genauso einzigartig wie absurd: Mit Hilfe des fortschrittlichen Greif-Instruments bewegt sich Rico
schneller über die Insel als hinter dem Steuer eines Vehikels – Straßen, Hügel und Bergmassive werden ruckzuck überwunden. Und will sich der bewegungsfreudige Ballerman in die Tiefe stürzen,
dann spannt er auf Knöpfchedruck mitte im Sprung den Gleitschirm auf. Oder wechselt von einer Sekunde auf die andere in den Wingsuit-Modus, um mit Karacho über die idyllische und fein texturierte
Insel-Landschaft von Medici zu brettern. Dann noch mitten im Flug an der Karossiere eines Wagens einhaken, auf das Autodach springen, den Piloten bei voller Fahrt rauszerren und den PKW kapern
– so wird hier geflogen, geballert und gespielt. Und idealerweis alles aus einer einzigen, flüssigen Bewegung heraus. Um danach stilbewusst am Steuer eines glänzenden Sportwagens im Zielort
einzulaufen.
Bis der Spieler solche Kunst-Flüge und -Manöver vollbringen kann, ist allerdings einige Übung erforderlich: Abrissbirne Rodriguez gibt sich anfangs reichlich zickig und kantig – außerdem werden
die Kontroll- und Spiel-Mechanismen des Abenteuers nur unzureichend erklärt. Obwohl es im Grund um nichts weiter als die totale und kreative Zerstörung der Einsatzziele geht, lässt "Just Cause 3"
seine Fans gerade während der ersten Spielstunden oft ratlos zurück: So verraten die Missionslisten auf der Übersichtskarte zwar, was zerstört werden soll – doch wo genau die betreffenden Ziele
zu finden sind… mit dieser Information rückt das Programm erst dann raus, wenn man sich bereits hoffnungslos verfranzt hat.
Die zügellose Zerstörungswut hinter dem Kawumm-Trip des unrasierten Latinos richtet sich vornehmlich an solche Spieler, die ohne große Anstrengung ein effektvolles Feierabend-Inferno abbrennen
möchten. Schade nur, dass der chronische Mangel an Spiel- und Bedien-Komfort dem Amokläufer an dieser Stelle dicke Knüppel zwischen die Beine wirft: Die Regeln von Meister Rodriguez und seiner
Heimat wollen erst mühsam erlernt werden, bevor man das gewünschte Feuerwerk zünden darf.
So kommt es, dass ein Spiel, das eigentlich extrem leicht und handlich geraten ist, von der ersten Spielminute an unnötig verkompliziert wird. Und nur solche Spieler Zugang dazu finden, denen der
Insel-Trip eigentlich zu einfach sein dürfte. Denn hat man erstmal verstanden, wie die Dinge auf Medici laufen – dann ist die Schritt-für-Schritt-Sprengung von Di Ravellos Diktatur nicht
eben anspruchsvoll: Entweder hangelt man sich blitzschnell von einem schweren Geschütz zum nächsten, um die Siedlungen hochzunehmen – oder aber man nutzt den Greifhaken, um zusäztliche
Verwüstung anzurichten. Der eignet sich nämlich hervorragend, um mehrere Objekte miteinander zu verknüpfen und dann ruckartig zusammen zu zurren. Ein Benzinfass mit Karacho gegen einen Tank
donnern zu lassen, um ihn so zur Explosion zu bringen? Das macht mehr Spaß als mit dem Raketenwerfer draufzuhalten. Obendrein spart es kostbare Munition.
Bewegungsdynamik beherrscht in "Just Cause 3" ebenso das Bild wie die allgegenwärtigen, brachial präsentierten Explosionen. Zwar greifen Zerstörungs- und Bewegungs-Mechanismen dabei nicht immer
optimal ineinander, aber mit einiger Übung ist Medici eine fast perfekte Zerstörungs-Sandbox. Für den kleinen, wütenden Anarchisten in uns allen. Schade nur, dass zu wenige Objekte wirklich
zerstörbar sind: Kaputt geht hier nur das, von dem die Spiel-Designer es wollen. Autos, Panzer, Helikopter, Flugzeuge, Tanks und Wachtürme verbiegen sich unter Ricos Ansturm, aber Hausmauern
halten jedem Bombardement stand. An dieser Stelle wird die Lust am gezielten Amoklauf empfindlich gedämpft: Die Spiel-Features versprechen eine Vernichtungsorgie, die zum Experimentieren verführt
– aber die eingeschränkte Zerstörbarkeit des Terrains kann diese Erwartung nur teilweise erfüllen. Darum ist "Just Cause 3" am Ende eher unbeholfen erzählter Action-Film als launiger
Experimentierkasten für passionierte Kaputtmacher.
Robert Bannert
7.5
gut
Grafik: sehr gut
Sound: sehr gut
Steuerung: gut
Spielspaß: gut