Halo 5: Guardians

Das Geschäft läuft nicht eben rosig für Microsofts Xbox-Division: Seit der Veröffentlichung der Xbox One im September 2014 hat die Marke massiv an Boden verloren - ist vom einstigen Gamer-Liebling im Konsolengeschäft auf einem weit abgeschlagenen zweiten Platz gelandet. Mit um die 12,5 Mio. verkauften Einheiten hat man nur knapp halb so viel Geräte im Markt wie Mitbewerber Sony. Jetzt soll es der Master Chief wieder mal richten: Die "Halo"-Serie um den bekannten Weltraum-Helden ist das stärkste Zugpferd im Markenstall des Xbox-Herstellers. Die Abenteuer des Spartaner-Soldaten mit der Nummer 117 haben das Genre der Ego-Ballereien maßgeblich geprägt.

Trotzdem kommt für jeden Helden einmal der Zeipunkt, an dem er Blei- oder Plasma-Puste an den Nagel hängen sollte: So degradiert Entwickler-Studio 343 Industries den einstigen Vorzeige-Ballermann in "Halo 5: Guardians" zum Nebendarsteller - gerade mal drei Stück der insgesamt 15 Kampagnen-Missionen bestreitet der Spieler im grünen Kampfanzug des hünenhaften Supersoldaten. Während der anderen Einsätze steckt er in den Kampfstiefeln von Jameson Locke, den Serien-Fans aus dem Film "Halo Nightfall" kennen. Locke soll jetzt zusammen mit seiner eigenen Spartaner-Crew den abtrünnigen Chief und sein berühmtes "Blue Team" zurückbringen - denn die Kampfmaschine mit der Nummer 117 ist ausgebüchst, um seine digitale Freundin Cortana zurückzuholen. Eigentlich hat die KI seines Herzens am Ende von "Halo 4" ihr virtuelles Lebenslicht ausgehaucht. Doch jetzt verdichten sich Hinweise über den Verbleib der überraschend lebendigen Computer-Gefährtin. Die ist inzwischen zu einer Art Computer-Göttin in den Reihen der legendären "Blutsväter" avanciert: Jetzt aktiviert Cortana auf einer menschlichen Kolonie nach der anderen die "Guardians" - Gebirgs-große und brandgefährliche, Mecha-Monstrositäten.


Entwickler 343 Industries strickt aus diesen Zutaten einen brachialen Dauerfeuer-Actioner, doch aus dem Spannungsfeld "Spartan gegen Spartan" holt das Studio leider wenig raus: Die einzige Konfrontation zwischen Jäger und Verfolgten gipfelt in einer kurzen Zwischensequenz, die den Spieler als ratlosen Zuschauer zurücklässt. Ansonsten bietet man den Fans wilde Feuergefechte mit Allianz-Aliens und den Maschinen-Monstern der "Blutsväter". Die Effekt- und Material-Schlacht macht gerade visuell eine Menge Spaß: Fantasievolle Schauplätze wie die von Canyons und Tempelanlagen dominierte Welt der "Elite" sorgen für die nötigen grafischen Akzente. Auch ein fremdartiger Dschungel-Planet als inszenatorischer Höhepunkt des Abenteuers macht eine Menge her. Tönt dann auch noch im richtigen Moment der schmissige Orchester- und Hardrock-Soundtrack von Kazuma Jinnouchi aus den Heimkino-Boxen, dann sorgt "Halo 5" für unglaubliche Stimmungs-Höhepunkte.

 

 

Dabei verlassen sich die selbst unter "Normal" bockschweren Gefechte nicht nur auf ihre knackige Präsentation: Jede Alien-Spezies stürmt mit ihrer ganz eigenen Taktik das Schlachtfeld und reagiert auf Beschuss anders als ihre Kollegen. Jedes Verhaltensmuster ist fein auf die Fähigkeiten von Master Chief, Locke & Co. abgestimmt: Die verfügen in dieser "Halo"-Episode zum ersten Mal über Manöver wie einen Jetpack-unterstützten Rempler oder einen Boden-Hieb mit Erdbeben-artigen Auswirkungen. Schade nur, dass Spieldynamik- und Balance nie ganz das Niveau erreichen, für das Serien-Schöpfer Bungie so berühmt war. Der zeigt aktuell mit seiner Multiplayer-Schöpfung "Destiny", wie leicht und beschwingt sich eine moderne Ballerei anfühlen kann: Einen vergleichbaren Spaß-Level erreicht das neue "Halo" selbst in seinen stärksten Momenten nicht.

Besonders im Mehrspieler-Modus macht sich das vergleichsweise steife Spielgefühl empfindlich bemerkbar. Ob man sich nun auf die vergleichsweise kurzen "Arena"-Gefechte oder die riesigen Schlachtfelder im "Kriegsgebiet" einlässt: Die Auseinandersetzungen funktionieren zwar, vermitteln aber nicht dieselbe unbändige Spielfreude wie ein "Halo 3"". Richtig Spaß hat man nur dort, wo es dem eigenen Team gelingt, den Konflikt von Anfang an mit klarem Vorsprung zu dominieren. Obendrein muss man zugunsten eines flüssigen Spielablaufs auf viele grafische Details verzichten: Der Mehrspieler-Modus von "Halo 5" läuft butterweich, aber ein ausgesprochener Hingucker ist er nicht. Klarer Fall: Immersion sieht anders aus.

Bereits bei der Kampagne gibt es zugunsten von Mehrspieler-Features dezente kosmetische Abstriche: Die Story lässt sich wahlweise von einem einzigen Ballermann oder bis zu vier Spielern gleichzeitig im Koop-Modus bestreiten. Vermutlich deshalb sieht auch die Geschichte um Locke und John beziehungweise Master Chief nicht gar so gut aus, wie sie es für einen System-Seller eigentlich müsste. Unter dem Strich bleibt eine zwar verdammt schicke, aber mit nur ca. sieben Spielstunden viel zu kurze Kampagne, die den wenig innovativen Mehrspieler-Teil nur bedingt kompensieren kann. Außerdem verpasst man die Chance, neue Spieler an die Serie heranzuführen: In der knapp bemessenen Geschichte wird viel Kenntnis um das wuchernde Hintergrunduniversum verausgesetzt, aber kaum welches vermittelt.

Am Ende bietet "Halo 5" also gelungenen Service für den ganz harten Fan-Kern, aber mit innovativeren Shooter- und Multiplayer-Schwergewichtern wie "Destiny" oder "Titanfall" kann es nicht konkurrieren. Die Chance für eine Neu-Erfindung oder zumindest deutliche Modernisierung der Marke hat man verpasst. Ergo: Eine runde Fortsetzung - doch sicher kein Grund, um eine Xbox One zu kaufen. Und auch kein Beweis dafür, dass die Xbox One eben doch besser kann.

 


7.5

gut

Grafik: gut

Sound: sehr gut

Steuerung: gut

Spielspaß: gut



Xbox One

von 343 Industries

ab 16 Jahren

für Profis

für 1 bis 24 Spieler


im Handel

ca.  60 Euro.