Lara Croft von schräg oben: In "Temple of Osiris" für PS4, Xbox One und PC versucht sich die britische Archäologin zum zweiten Mal als Arcade-gepolte
Action-Heldin.
PS4, Xbox One, PC
von Crystal Dynamics und Square Enix
ein bis vier Spieler
für Profis
im Handel
ca. 15 Euro (digital) bzw. 35 Euro (Gold-Edition auf Disc)
ab 12 Jahren
Gottheiten wie dieser Skarabäus treten als gigantische Bosse in Erscheinung. Ansonsten wird von schräg oben geballert – entweder alleine oder mit bis zu drei anderen Grabräubern.
Mit "Lara Croft & Temple of Light" haben Eidos und Crystal Dynamics vor vier Jahren einen echten Überraschungshit gelandet: Anstatt die Archäologin durch ein gewohnt Adventure-lastiges, vollwertiges "Tomb Raider"-Abenteuer zu hetzen, hat man den Fans klassisch gepolte Arcade-Action mit hohem Koop-Faktor kredenzt. Und für die überfällige Fortsetzung macht man genau da weiter: Wieder wird Laras Baller- und Knobel-Exkurs von schräg oben eingefangen – und einmal mehr muss die Britin einen Amok gelaufenen Gott erledigen, während ihr seine Verwandten im Kampf beistehen. Im ersten Teil musste der südamerikanische Indianer-Gott Xolotl dran glauben, diesmal will der altägyptische Ober-Kotzbrocken Seth bezwungen werden. Der hat – halbwegs streng nach mythologischer Vorlage – seinen Bruder Osiris zerstückelt. Weil Laras Widersacher Carter Bell den Fiesling versehentlich aus seinem Schlummer geweckt hat, will die Extrem-Forscherin jetzt Osiris' Gattin Isis und ihrem Sohn Horus dabei helfen, die Einzelteile des Ober-Gottes wieder aufzuspüren und zusammenzukleben.
Weil Arme, Beine, Torso, Kopf und Gedärm-gefüllte Kanopen-Gefäße aber über teuflisch gesicherte Tempelanlagen verteilt sind, hat Lady Croft wie gewohnt gut zu tun: Monströse Skelettkrieger und kneifwütige Skarabäen werden mit der Bleipuste niedergemacht – bei übergroßen Boss-Brocken wie einer Riesenschlange oder einem Mega-Mistkäfer dagegen muss man erst den Schwachpunkt aktivieren, bevor die Schuss-Salven die Energie-Leiste der Bestien ankratzen. Gelaufen und gezielt wird dabei nach Art eines Twinstick-Shooters: Mit dem linken Analog-Knubbel steuert man die Heldin, der rechte Stick kontrolliert ihre Schussrichtung, und per Schulter-Button betätigt man den Abzug. Behändes Ausweichen und Abrollen sind aber mindestens genauso wichtig: Auch Laras zweites Iso-Abenteuer fühlt sich wie eine Automaten-Ballerei der alten Schule an – zwischen all den aufdringlichen Gegnern und Projektilen die sichere Lücke zu finden, ist nicht immer ganz einfach.
Wem die mitunter ganz schön kernigen Shootouts alleine zu heftig werden, der darf deshalb bis zu drei Kollegen in seine Kampagne einladen: Die übernehmen dann die Rollen von Osiris, Isis oder dem schwatzhaften Möchtegern-Schatzjäger Carter Bell.
Doch Grips und Geschick sind wieder mal ähnlich wichtig wie rohe Muskel- und Schusskraft: So öffnet Lara durch das Herumschubsen übergroßer Explosiv-Murmeln magische Portale, springt mit oder ohne Seil über Abgründe und setzt Osiris' Zauberstab ein, um allerlei verborgene Mechanismen zu aktivieren. Ohne Vorwarnung aus dem Boden sausende Speere, über Treppen nach unten donnernde Stachelkugeln, wegbröckelnde Brücken und gemeine Zeitschaltungen machen ihr dabei zusätzlich das Leben schwer.
Keine Frage: "Temple of Osiris" ist Profikost für Genre-gestählte Finger und Gehirne – und gerade junge Spieler ohne Hang zu retrospektiv gepolter Spielekost werden dem knackschweren Scharmützel nur wenig abgewinnen können. Wer dagegen Action- und Abenteuerkost von anno dazumal schätzt, der wird die kleine 'Iso-Lara' dagegen vermutlich noch mehr in sein Herz schließen als ihr "Tomb Raider"-Gegenstück. Immerhin gibt sie ihm ein Maß an direkter Kontrolle, das moderne Action-Helden kaum noch gewähren. Reichlich Extras wie per Juwelen-Kollekte zu öffnende Truhen und magische Klunker für die Verbesserung der Heldinnen-Performance helfen zwar dabei, Laras Abenteuer zu erleichtern – doch letztlich siegt hier vor allem die Kompetenz des Spielers.
Die Anschaffung lohnt also – entweder wie bei Teil 1 für rund 15 Euro als digitale Version oder für 35 Euro als Disc. Letztere kommt außerdem mit einer knuffigen, Manga-artigen "Super Deformed"-Lara-Figur, einem Heftchen mit Konzeptzeichnungen, einer Karte der Spielwelt und einem Season Pass.
8.5
sehr gut
Grafik: sehr gut
Sound: sehr gut
Steuerung: sehr gut
Spielspaß: sehr gut
GRAFIK: "Der Tempel des Osiris ist zwar nicht so imposant oder filmisch wie die letzte 'große' Lara, aber die unzähligen fein gezeichneten Details haben uns trotzdem den Atem geraubt. Besonders wer bereits zu 16Bit-Zeiten isometrische Action-Adventures geliebt hat, der kommt hier voll auf seine Kosten.
SOUND: Die kleine Lara bietet zwar keinen besonders druckvollen Rundum-Sound mit fein abgemischtem und gut ortbarem, direktionalem Kawumm. Aber die zauberhaften, auf Tempel-Mystik getrimmten Ohrwurm-Tracks schlagen den Hobby-Grabräuber voll in ihren Bann.
STEUERUNG: Der Ausflug in die ägyptische Sagenwelt funktioniert wie sein Vorgänger "Guardian of Light" nach dem Prinzip eines Twinstick-Shooters. Links laufen, rechts schießen. Funktioniert nach wie vor perfekt!
SPIELSPASS: Story und Tiefgang dieses "Tomb Raider"-SpinOffs passen wieder mal in eine Überraschungsei-große Kanope – doch als arcadiges Action-Erlebnis macht Laras schräges Abenteuer mächtig Laune. Obacht: Inszenierung und Bossgegner sind spektakulärer als im Erstling, doch der Knobelfaktor wurde zugunsten des Multiplayer-Parts spürbar runtergeschraubt. Darum schneidet "Der Tempel des Osiris" spielerisch einen Tick schwächer ab als sein überragender Vorgänger – zumindest Singleplayer-seitig. Schade um die schönen Kopfnüsse.