Endlich wieder ein gutes Horror-Spiel? Bethesdas "The Evil within" für PS4, PS3, Xbox One, Xbox 360 und PC will dem verblichenen Grusel-Genre neues Leben einhauchen – doch das Ergebnis ist ein untotes Monster ohne eigenständiges Profil.
für PS4, PS3, XBox One, Xbox 360, PC
von Deep Silver / Koch Media
1 Spieler
für Fortgeschrittene und Profis
im Handel
ca. 60 Euro
ab 18 Jahren
Verspukte Herrenhäuser, lebende Tote, kompostierte Monstrositäten und das nackte, verspielte Grauen: Mitte der 90er bis Anfang der 2000er-Jahre war das Grusel-Genre bei Spielern hoch im Kurs. Den Anfang machten Capcom und sein Kult-Designer Shinji Mikami mit ihrer "Resident Evil"-Reihe, später folgte Konami. mit dem etwas feinsinnigeren und okkult gepolten "Silent Hill". Inzwischen leidet das einst gefeierte Genre jedoch unter einer schweren Identitätskrise: Die letzten Episoden der Vorzeige-Serien bewegten sich fernab von den gewohnten Schreckenspfaden, Capcom verwandelte seine Vorzeige-Serie "Resident Evil" gar in eine Ballerei mit Buddy-Feature – von der spukigen Adventure-Schlagseite der einstigen "Survival"-Bibel war nicht mehr viel zu spüren.
Darum meldet sich jetzt der Ingenieur des Genres höchstpersönlich zurück: "Resi"-Guru Shinji Mikami und sein japanisches Entwickler-Team 'Tango Gameworks' erzählen in "The Evil within" mit Hilfe
von Bethesda-Zenimax-Millionen endlich wieder klassischen Spiele-Horror im Sinne des Erfinders. Oder zumindest ist das die übereutliche Intention, denn tatsächlich bemüht sich die Schauermär
sichtlich darum, alle Pflichtübungen des Genres abzuhaken: Baufällige, von Zombies umschwärmte Holzhütten im Wald? Check. Moosbewachsene Klapsmühle? Check. Die obligatorische Schnetzel-Klinik?
Check. Und natürlich von Blut und Kadavern geflutete Fabrikhallen, in denen die Organe der Mordopfer von den Wänden tropfen? Ebenfalls abgehakt!
Leider waren Mikami und seine Mannschaft so damit beschäftigt, nach der langen Abstinenz des klassischen Gaming-Grusels alle gewohnten
Ingredienzien in ihr blutiges Horror-Gebräu zu mixen, dass sie am Ende die wichtigste Zutat vergessen haben: Eigenständigkeit. Wenn Detective Sebastian Castellanos von einem Standard-Szenario ins nächste stolpert, um einem gruseligen Serienmörder auf die Schliche zu kommen, dann entdecken selbst erfahrene Horror-Spieler keine individuelle Note. Abgesehen von einem launigen System vielleicht, mit dem Castellanos in einer unheimlichen Zwischenwelt seine Fertigkeiten aufmöbelt: Munitions-Fassungsvermögen, Durchschlagswirkung der Schrotflinte oder Fitness des Helden sollen vergrößert werden? Dann ab auf den elektrischen Behandlungsstuhl in der Twilight-Klinik!
Doch abgesehen davon stolpert der Held allenthalben über archaische Design-Versatzstücke, die im Laufe der letzten 15 Jahre nicht umsonst von der Bildfläche verschwunden sind: Zu viele
unausweichliche Bildschirmtode, unverhältnismäßig schweres Gemetzel und allzu sparsam über das verwinkelte Spielterrain verteilte Speicherpunkte verlangen den Spielernerven eine Menge ab – mehr
als die meisten Gamer heutzutage zu leisten bereit sind.
Der eine oder andere Survival-Experte der alten "Resident Evil"-Schule wird sich über diese Ecken und Kanten freuen. Geduldig jede Ladepause über sich ergehen lassen, wenn er wieder mal von einem Kettensägen-schwingenden Riesen, einer vielgliedrigen Krankenhaus-Patientin oder einem Explosiv-Draht gekillt wurde – ohne Chance auf Bewährung. Und selbst dann hartnäckig weitermetzeln und -forschen, wenn er wegen des akuten Mangels an Speichermöglichkeiten oder Munition erneut unter den kariösen Gebissen zombifizierter Artgenossen verendet ist. Schließlich erwartet man genau das von einem Titel des "Resident Evil"-Schöpfers.
Doch selbst der größte Fan muss zugeben, dass eine etwas weniger altbackene, Grafikfehler-anfällige 3D-Kulisse, eine weniger platte Brutalo-Story und mehr Mut zur Eigenständigkeit aus "The Evil within" einen wesentlich besseren Titel gemacht hätten. Ein Horrorspiel, das seine Ahnen nicht nur plump zitiert, sondern sie neu erfindet.
Ebenfalls unschön: Der viel zu kleine Bildausschnitt (Super-Widescreen) zeigt manchmal so wenig von Held und Umgebung, dass so manche Situation dadurch NOCH unfairer wird.
(6.5 von 10 Punkten / "befriedigend")