NINTENDO: Action-Figuren gegen Grafik-Power
Während Sony und Microsoft sich die Grafik-Blockbuster um die Ohren ballern, um von den Performance-Pferdestärken ihrer neuen Systeme zu überzeugen, verlässt sich Nintendo einmal mehr auf die Macht seiner schlachterprobten Marken: Obwohl auf der E3 kein neues Mario-Spiel gezeigt wurde, so sind trotzdem ausnahmslos alte Bekannte am Drücker: "Yoshi's Woolly World" und "Captain Toad: Treasure Tracker" beschäftigen beide Helden aus dem bekannten Klemper-Clan – und beim "Mario Maker" handelt es sich zumindest indirekt um ein ein Mario-Jump'n'Run. Vermutlich würde es auch Marken-Pfleger Nintendo nicht schaden, hin und wieder mal eine ganz und gar neue Figur ins Rennen zu bringen – doch so lange die alten Haudegen noch funktionieren, scheint man keinen Handlungsbedarf zu sehen. Wer sich bisher allerdings darüber gewundert hat, dass der Konzern seine digitalen Promis nicht exzessiver über Kanäle jenseits des Spiele-Mediums einsetzt, der wird sich über Nintendos neuestes Projekt freuen: "Amiibo" gießt Helden wie Mario, Peach, Link und "Metroid"-Heldin Samus in Figuren-Form und lässt sie über das Gamepad direkt mit dem Spiel kommunizieren – ungefär so wie bei Activisions "Skylanders". Im Erfolgsfalle könnten die Figürchen der WiiU den Rücken stärken – doch auch als Plattform-übergreifendes Konzept dürfte "Amiibo" funktionieren. Denn Nintendo versteht sich nicht in erster Linie als Hardware-Hesteller, sondern als Spezialist für Spiele- bzw. Spielzeug-Marken. Die Taktik ist aber gleichzeitig ein Indiz dafür, dass man schon jetzt über WiiU hinaus denkt: Die Plattform ist vielleicht noch nicht völlig verloren, aber gegen Sony und Microsoft wird sie vermutlich keinen Stich mehr landen. Also investiert man in die Marken als übergreifendes Konzept, das nicht zwangsläufig auf ein System festgetackert ist. Obwohl diese Idee allein schwerlich das Zeug haben wird, WiiU doch noch zum Hit zu machen, ist sie – zumindest als firmenübergreifende Strategie – ein schlauer Schachzug. Trotzdem sollte Nintendo vielleicht mal wieder persönlich an der Messe partizipieren anstatt nur zuvor abgefilmte Präsentations-Videos zu liefern: Die sind zwar cool, sehen aber ein bisschen zu sehr nach "Kopf in den Sand stecken" aus.
SONY: Next-Gen pur
In den letzten Jahren stand Sonys US-Chef Jack Tretton auf der E3-Bühne, doch seitdem der altgediente PlayStation-Manager abgedankt hat, wirkt die Show deutlich unpersönlicher. Zum Glück war der Hersteller klug genug, Trettons beliebtes Gesicht nicht einfach durch ein anderes zu ersetzen – stattdessen hat man die Ansprache von PlayStation-Oberboss Andrew House auf das Nötigste reduziert und von "viel Blabla um nichts" fast vollständig auf Spiele-Präsentationen verlegt. Zahlen, Tabellen und Kuchendiagramme wie bei vergangenen E3-Präsentationen hat man der Menge zum Glück erspart.
Überraschend: Obwohl Sony nicht wesentlich mehr Games gezeigt hat als der direkte Konkurrenzu Microsoft, so sah es beim PlayStation-Hersteller nach einer donnernden Breiseite aus – während es von der Xbox-Front nur "Piff-Paff-Puff" ging. Das lag nicht nur am dramaturgisch klügeren Aufbau der Show, sondern vor allem an einer auf Core-Gamer gebürsteten Themenwahl: Marken wie "Little Big Planet" und "Uncharted" haben eine riesige Lobby – auch "Bloodborne" von "Dark Souls"-Mach From Software sorgte für Applaus (obwohl bisher keinerlei Gameplay zu sehen ist). Ähnliches auf Seiten der Drittanbieter-Spiele: "GTA 5", "Arkham Knight", "Mortal Kombat X" und Activisions Multiplayer-Brocken "Destiny" sind ausgesprochene Gamer-Themen. Und obwohl sie alle auch für Xbox One erscheinen, verstand Sony es einmal mehr, diese Titel wie "PlayStation Only"-Marken aussehen zu lassen – einer mitreißenden Präsentations-Taktik sei Dank. Auch gab es mehr Ingame-Material zu sehen als bei Microsoft: So wurde die viktorianische Steampunk-Monsterhatz "The Order 1886" zwar auf 2015 verschoben – doch der Zweikampf zwischen einem schnauzbärtigen Jäger und eine Art Werwolf hatte es in sich und sah definitiv mehr nach "Next-Gen" aus als z.B. Microsofts "Sunset Overdrive". Das Mantra "Es geht nur um die Spiele" kommt inzwischen etwas plump abgedroschen rüber, doch beim Publikum hat's sichtlich funktioniert: Sonys Pressekonferenz gilt vor allem deshalb als E3-Sieger, weil man auf genau das gesetzt hat, was die Spieler von der Next-Gen erwarten – fette Spiele mit fetter Grafik. Schade nur, dass die meisten dieser Titel noch eine ganze Weile auf sich warten lassen.
MICROSOFT: Wir haben verstanden!
Nach dem PR-Desaster auf der E3-Pressekonferenz 2013 saß die Angst vermutlich tief beim Xbox-Hersteller: Die Angst davor, sich schon wieder in die Nesseln zu setzen. Darum ist man diesmal auf Nummer Sicher gegangen und hat sich auch hier dem Sony-Konzept angenähert: Statt multimedialem Brimbamborium, Cloud-Geeiere und weichgespültem Feature-Gesabbele gab es diesmal ein Spiel nach dem anderen zu sehen. Xbox-One exklusive Titel wie "Phantom Dust" oder das "Monster Hunter"-ähnliche "Scalebound" von Platinum Games sollten das Engegament des Herstellers für das neue System zeigen – doch leider gab's hier viel zu häufig nur Render-Trailer über Spiele zu sehen, die irgendwann erscheinen. 2015 vielleicht. Das von Fans herbeigesehnte "Forza Horizon 2" wiederum erscheint nicht nur für die One, sondern auch für Xbox 360 – bei einem von Microsoft entwickelten Exklusivtitel unverständlich, denn der hätte das Potential, mehr Leute zum Xbox-One-Kauf zu motivieren. So aber könnte man die Entscheidung als Eingeständnis von Microsoft werden, sich die Xbox-360-Kunden auch weiterhin warm zu halten – für den Fall, dass das Geschäft mit 'der Neuen' nicht so schnell anzieht wie erhofft. Davon abgesehen hat sich der Hersteller für seine Show einige der größten Multiplattform-Marken gesichert: "Assassin's Creed Unity" als Next-Gen-Only-Titel war ganz klar der Start des Drittanbieter-Programms, doch auch "Dragon Age: Inquisition" und "The Witcher 3: Wild Hunt" machten eine gute Figur. Auf ein neues "Halo" mussten die Fans leider verzichten, doch als Trostpflaster gab's die Ankündigung (noch für dieses Jahr) der "Halo: Masterchief Edition". In der ballert sich der schwer gerüstete 'Spartaner' noch mal durch all seine bisherigen Xbox- bzw. Xbox-360-Abenteuer, reichlich Bonus-Material und ein Zugang zur "Halo 5"-Multiplayer-Beta inklusive. Aufregende Exklusiv-Entwicklungen blieb man der versammelten Menge allerdings schuldig: Insomniacs hyperaktive und hyper-vercoolte Ballerei "Sunset Overdrive" und das Multiplayer-RPG "Fable Legends" sind zwar nette Happen, aber kein Hauptgericht. Das gleiche gilt für den Weltenbaukasten "Project Spark" von Rare, der nach einer überlangen Beta-Phase jetzt endlich an den Start gehen soll: Der bietet eine überraschende Rückkehr von Jump'n'Run-Rüpel Conker – doch ein vollwertiges Spiel rund um das rotzfreche Eichhörnchen wäre den meisten dann doch lieber gewesen. Trotzdem: Microsoft hat immerhin bewiesen, dass man die Gamer-Kundschaft endlich wieder ernst nimmt – die Richtung stimmt also.