Kritik: Transistor


 

Mit seinem Debütwerk "Bastion" hat der kalifornische Kleinst-Entwickler 'Supergiant Games' Kritiker und Rollenspiel-Fans im Sturm erobert: Die atmosphärisch dichte Reise über ein Archipel aus zerbröckelnden Dimensions-Inseln war zwar ganz schön kryptisch geraten, doch die Verweise auf klassische 16Bit-RPGs und ein wunderbar unterkühlter Off-Kommentator verliehen "Bastion" seinen ganz eigenen Reiz. Und so viel Charme, dass man großzügig über das teils durchwachsene Gameplay hinwegsehen konte.

 

Leider fehlt dem Quasi-Nachfolger diese ganz besondere, individuelle Note: In "Transistor" reist man als 'Red' einmal mehr an der Seite eines unsichtbaren Erzählers, Erklärers und Kommentators durch eine menschenleere Landschaft, die Supergiant Games erneut von schräg oben und bei feststehender Kamera einfängt. Will heißen: Die im Zeichentrick-Look gehaltene Spielwelt wird immer aus dem selben Blickwinkel betrachtet. Inzwischen ist Heldin 'Red' damit beschäftigt, ihr wuchtiges Anime-Schwert hinter sich herzuschleifen (das übergroße Ding schrammt dabei über den Boden), um damit allerlei Monstrositäten und Roboter zu verdreschen.

Roboter? Korrekt: Anders als "Bastion" spielt "Transistor" nicht mehr in einer erdigen bis grasgrünen Fantasy-Welt, stattdessen erinnern die zwar bunten, aber sterilen und meist glatten Hightech-Kulissen ein wenig an die neue "Shadowrun"-Versoftung. Entsprechend scheinen auch die Gegner und ihre Arenen dem Cyberspacen entsprungen: Hier lässt sich kaum noch erkennen, wo das Organische aufhört und das Synthetische bzw. Digitale anfängt – zumal die Kerlchen förmlich aus dem Level-Boden "hinauspixeln". Passend dazu wachsen allenthalben quaderförmige, glänzende Blöcke in die Höhe, die sich beim Echtzeit-Schwertschwingen nicht nur für den Helden, sondern auch für Monster hervorragend als Deckung eignen.

 

 

Damit die effektvolle Schlacht aus beherzten Hieben und cybertronisch-magischen Kräften nicht zu hektisch über den Pixel-Äther zieht, lässt sich die Roboter-Verschrottung per Knopfdruck einfrieren und auf eine taktische Kampfebene holen: Hier darf sich Red so lange bewegen, wie sie will – aber höchstens zwei unterschiedliche Attacken einleiten. Dann wird die Aktions-Kette per Button-Kommando gestartet – und schon kann man die Heldin dabei beobachten, wie sie die Befehle auf der Echtzeit-Ebene ausführt.

Klingt taktisch, spielt sich aber tatsächlich konfus und unnötig frustig: Das an sich angenehm flexible Fertigkeiten-System wird im Spiel dermaßen mies erklärt, dass seine Finessen gerade während der ersten zwei bis drei Stunden nicht so effizient genutzt werden können, wie es nötig wäre. Das Resultat: Red geht ständig drauf – und büßt bei jedem Ableben eine weitere Fertigkeit ein. Das zwar nur auf Zeit – aber lange genug, um die ohnehin schon knackigen Gefechte in nervige Frust-Erlebnisse zu verwandeln.

 

Die Geschichte um die wuschelhaarige Sängerin und das an einen Computer-Platine erinnernde, sprechende Schwert ist zwar – wie schon "Bastion" zuvor – dank seiner eigenwilligen, aber fein abgestimmten Ästhetik ein echter Hingucker, doch der geradlinige Spielverlauf, die übertrieben harten Gefechte und das sperrige Kampfsystem berauben die an sich potente Mixtur fast jeder Spielfreude. Zumal die Stimmung diesmal nicht so dicht und individuell geraten ist, dass jeder Genre-Fan gnädig über die Design-Verfehlungen hinwegsieht.

Darum trauen sich nur solche Rollenspieler an das mit 20 Euro nicht gerade günstige "Transistor", die neben einer Begeisterung für ungewöhnliche Genre-Experimente vor allem viel Leidensfähigkeit und Geduld mitbringen. (6.5 von 10 / "befriedigend")

 


Supergiant Games • ab sofort für PC (Steam) und PS4 • ca. 20 Euro • für Profis


WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut

10 = legendär